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Bestzeiten und höchste Lächel-Quoten
Bericht vom London-Marathon 2002


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12.04.02 Freitag: Anreisen, Geld ausgeben und der Nahverkehr

Unser London-Besuch hat diesmal eine offizielle Note. Dank Vermittlung des 5maligen London-Läufers Erich Bremm aus Witten-Stockum sind wir Gäste unserer Partnerstadt Barking-Dagenham im Osten Londons und wohnen preiswert und gut im städtischen Gästehaus. Wir sind am frühen Nachmittag da und beschließen, die Marathonmesse bereits heute zu besuchen, damit ich morgen die Beine noch mehr schonen kann (und unser Freund Richard sich nicht während meiner Einkaufsorgie langweilt).

In der London-Arena kaufe ich 3 Läuferhemden (nicht, dass ich sie unbedingt bräuchte) und ein Handtuch. Dann sammle ich Prospekte von Dublin, Stockholm und Chicago ein, alles Marathonläufe, die ich gedanklich auf die To-do-Liste setze.

Den Abend verbringen wir mit einem Spaziergang durch Chelsea und einem Pubmeal im The Front Page, wo es 2 Mahlzeiten (Nudeln) für 10 Pfund gibt. Stilecht und außerordentlich preiswert, wie uns im Laufe des Wochenendes noch deutlich werden sollte.

Die Rückfahrt nach Dagenham wird zum Abenteuer. Die Busfahrt auf der offenen Plattform durch die City macht Spaß. Der U-Bahn-Stau wegen eines Raubüberfalls verlangt dann schon etwas Geduld ab, die vergebliche Suche nach dem Auto schult – auch vergeblich - die Nerven (irgendjemand muss es in die andere Straße versetzt haben ;-) und zwei Fehlversuche beim Heimfahren zum Gästehaus geben der abendlichen Partner-Konversation die letzte Würze. Ich schlafe schnell und gut, nur einmal werde ich wach, weil ich zu spät zum Start komme.

 
Eastbury Manor House,
Barking
(Foto: Barking-Dagenham.gov.uk)
 
 


The Front Page, Chelsea
(Foto: Die schönsten Pubs von London)


13.04.02 Samstag: die Startnummer, eine Bootsfahrt und reale Freunde aus der virtuellen Welt

Um 11 Uhr wieder an der Arena. Aus taktischen Gründen brauche ich zur Abholung der Startnummer die Hilfe unseres englischen Freundes Richard. Nach nur kurzer Wartezeit habe ich endlich die ersehnte Tüte in der Hand und lasse sie für den Rest des Tages nicht mehr aus den Augen. Ich kaufe 3 weitere Laufhemden (mit Union Jack hatte ich ja wirklich noch keins). Dann machen wir uns auf zur neuen Tate Gallery. Zugegeben, nicht um der Kunst die Referenz zu erweisen, sondern zum Lunch, denn der Tate Küche geht ein guter Ruf voraus. Leider war die Schlange am Panorama-Cafe zu lang für Läuferbeine, so dass wir mit der 2. Etage vorlieb nehmen mussten. Die Küche ist wirklich eine Empfehlung, auch für Kunstbanausen und Vegetarier (wie ich einer bin).

Die Schlange am Riesenrad war für Läuferbeine erst recht zu lang. Stattdessen nahmen wir die wieder freigegebene "Wabble-bridge" in Augenschein, die jetzt – wie langweilig – nicht mehr wabbelt. Eine Bootsfahrt zum St. Catherine's Dock mit Einkehr im Dickens Inn überforderte die Beine nicht mehr. Im Gegenteil, es kribbelte schon beim mehrfachen Überqueren der Blauen Linie. Hier wird’s morgen schon weh tun, bei Meile 23.

Richard führt uns noch zur New Burlington Street, wo wir im Strada Restaurant (empfehlenswert, italienisch) zum Dinner verabredet sind, und dann verabschieden wir uns von ihm, bis zum 12.04.2003. Beim Eintreten sind wir sehr gespannt, denn hier warten unsere Freunde aus dem Internet. Sie sind alle schon da: Mike aus Peterborough (The reluctant runner – oder wie Pam ihn nannte: Mr. Brain Tumour),  Ian aus Blisworth (breathless but fast), Pam und Chris aus New Orleans sowie Alina und Bassim aus Aachen. Alle haben family and friends mitgebracht. Wir sitzen zusammen wie alte Freunde, virtuell kannten wir uns ja auch schon sehr gut. Internet macht nicht einsam, und Laufen auch nicht.


London Arena, 
Eingang zur Läufermesse
 

New Tate gallery


Dickens Inn, St. Catherine's Docks


14.04.02 Sonntag: das Rennen, das Glück und die Bürgermeisterin

Die Anreise von Dagenham zum Start hatte mich schon lange beschäftigt, nicht nur nachts. Der Plan war genau festgelegt. Mit dem Auto zum Bahnhof Barking, Zug 06:58 nach West Ham, Umsteigen in die Jubilee Line 07:16 nach London Bridge, dort möglichst den einzigen Zug nach Blackheath erreichen (07:46), der erst dort eingesetzt wird. Das war eine weise Auswahl, denn wie Mike später berichtet, herrschte bereits am Bahnhof Charing Cross das große Chaos, weil die Züge dort schon proppenvoll waren. Unser Zug ist dagegen nur dünn besetzt, und wir kommen pünktlich und (nicht wirklich) entspannt am blauen Start in Blackheath an.

Die flush hour an den zahllosen Klohäuschen hat noch nicht eingesetzt. Auch sonst ist die Versorgung sehr gut. Es gibt reichlich Vittel-Wasser, Lucozade und auch tea and coffee. Der blaue Start ist leider längst nicht so unterhaltsam wie der rote, wo all die kostümierten Fantasie-Gestalten sich versammeln. Der blaue ist der Start für die Läufer, die es etwas ernster nehmen. Ich warte am Kleider-LKW vergeblich auf Bassim, dafür treffe ich Ian, und wir wünschen uns mit konzentriertem Gesichtsausdruck noch einmal Glück.

Der Start gelingt perfekt. Die Blöcke werden strengstens kontrolliert, und kurz vor dem Startschuss dürfen wir aufrücken. Ich finde mich ca. 50m hinter der Weltelite stehend wieder. Dann gibt’s noch eine Gedenkminute für Queen Mum. Passend dazu hatten wir mit der Startnummer einen kleinen Trauerflor zum Anstecken bekommen. Die Trauer ist so groß, dass die Veranstalter es für geboten halten, auf den traditionellen Kanonenschuss zum Start zu verzichten. Das anschließend abgebrannte Feuerwerk schien dagegen nicht pietätlos zu sein. Offenbar haben Kanonen etwas royalistisches. Wir werden stattdessen mit einem "klaxon" auf die Reise geschickt. Ich weiß zunächst nicht, was das ist, doch dann höre ich die Hupe. In weniger als 1 Minute bin ich an der Startlinie. Perfekt.

Ich laufe rundum geoutet, mit "Uli"-Schriftzug auf der Brust und "Laufen-in-Witten.de" auf dem Rücken. Mehrmals werde ich unterwegs auf meine Herkunft angesprochen. Mitläufer wünschen auf deutsch Glück, einer fragt, ob ich aus Leverkusen komme. Er sei nämlich aus Liverpool. Ich tröste ihn über die Fussball-Niederlage, indem ich beteuere, Leverkusen habe keine deutsche, sondern eine brasilianische Mannschaft. Wir laufen einige Meilen zusammen. Es ist sein 15. Marathon, Bestzeit 3:22. Er ist doch etwas schnell für mich in dieser Phase.

Hinter Greenwich halte ich wie verabredet nach Angelika Ausschau. Vergeblich, sie steht auf der anderen Seite, wie ich später erfahre. Immerhin hat sie mich erspäht. Greenwich ist wie immer der erste große Höhepunkt der Strecke. Hier stehen Tausende an der Strecke und machen einen Höllenlärm. Doch auch danach fehlt es nicht an Unterstützung von links und rechts. Ich zähle die Meilen bis zur Tower Bridge. Schon vor der Rechtskurve, bei der sie ins Blickfeld kommt, setze ich ein Strahlen auf. Am Ende der Brücke versuche ich mich für die Kamera zu positionieren, aber die Fotografen scheinen mich verpasst zu haben. Hier am Tower ist die Zuschauerdichte am größten. Ob ich wohl merkwürdig aussehe, mit dem glücklichen Grinsen im Gesicht?

13.1, Halbzeit. Mit 1:43 liege ich perfekt im Plan. Genau wie berechnet, kommt auf der anderen Straßenseite die Männerspitze auf mich zu, schon von weitem an den Hubschraubern zu erkennen. Das Trio mit Haile, Paul und Khalid fliegt 2 Meter neben mir vorbei. Ich brülle ihnen ein "Gooo" entgegen. Aus ihrem Vorsprung vor mir von 50m am Start sind jetzt 9 Meilen geworden. Dann erkenne ich noch Antonio Pinto, schon deutlich zurückgefallen.

An den Getränkestationen wird englische Lebensart deutlich. Kein Gedränge, keiner läuft dem anderen vor die Füße. Einmal zeige ich an, dass ich rechts rüber will. Prompt reicht mir ein Mitläufer die eben erhaltene Wasserflasche herüber und holt sich selbst eine neue. Stets werden die Nachbarn gefragt, ob sie die Flasche austrinken wollen, bevor man sie halbvoll wegwirft.

In weitem Bogen geht es auf die Schleife um die Isle of Dogs. Das zieht sich. Die Straßen werden enger. Das Läuferfeld wird wieder dicht zusammengeschoben. Oft halten die Zuschauer den Läufern jetzt Leckerchen entgegen, Bonbons, Kekse, Bananen, Obststücke. Ihre Freude, wenn jemand etwas nimmt, erinnert mich an Zoobesucher, die Tiere füttern. Es geht auf km 30 zu, ich kann immer noch mein Tempo halten, und ich habe schon wieder einen Glücksanfall. Eine so hohe Lächel-Quote hatte ich noch bei keinem Lauf. Gegenüber sehe ich einen Haifisch. Ich habe 9 Meilen Vorsprung vor ihm. Wir sind Lauftiere im Londoner Straßenzoo.

In den St. Catherine’s Docks wird es nochmal sehr eng auf der Strecke, dann sind wir am Tower und  die Beefeaters applaudieren uns. Kopfsteinpflaster und eine kurze Steigung quälen. Es geht in den Blackfriars-Tunnel, der zum Glück ohne Anstieg wieder ans Tageslicht führt. Von hier sinds noch 5 Meilen. Und von hier an brüllen uns die Zuschauer von links und rechts ins Ziel. Man kommt aus dem Tunnel und sieht nur noch Menschen. Sie feuern mich auch persönlich an, obwohl "Uli" für englische Zungen ein Glücksspiel ist: "juli", "julei", "ulei" höre ich oft und hebe dankbar die Hand.

Ich habe meine Zwischenzeiten unterwegs beobachtet. An jeder Meile und zusätzlich alle 5 km stehen große Digitaluhren. Seit einer Stunde weiß ich, dass es um Sekunden geht. Trotzdem gucke ich jetzt nicht mehr auf meine Stoppuhr. Ich laufe einfach mein Tempo nach Gefühl weiter und hoffe, dass es reicht. Ich grinse weiter in mich hinein, jetzt bin ich mir sicher, dass der gewohnte Einbruch diesmal ausbleibt. Bei meinem dritten London-Marathon kann ich erstmals auch den letzten Abschnitt mit Embankment, Big Ben, Westminster Abbey, Birdcage Walk, Buckingham Palace so richtig genießen. Am Victoria-Brunnen höre ich schon den Ziel-Sprecher rufen. Er will uns zu einem Endspurt motivieren, denn es sind nur noch wenige Sekunden bis 3:30. Er spricht von Nachbarn, die uns nach der Zeit fragen werden, und dass sich 3:29 doch viel besser anhören wird. Vor 2 Jahren bekam ich beim Endspurt einen Krampf, das habe ich nicht vergessen und lass es diesmal lieber. Ausserdem hat der Animator wohl noch nichts von Nettozeiten gehört. Ich schaue auf meine Stoppuhr und weiß, dass es für mich reichen wird. Ich nehme mir noch die Zeit, in einen leeren Zielkanal zu wechseln, damit ich schöner aufs Bild komme. 3:29:27. Ich strahle weiter. Leider interessieren sich meine Nachbarn zu Hause nicht fürs Laufen.

Wieder treffe ich Ian, der bei seinem Marathon-Debut 8 min vor mir ins Ziel kam. Wir gratulieren uns gegenseitig. Zwei glückliche Gesichter. Man sieht ihm an, dass er schon das nächste Rennen plant. Vergleichsweise leicht- füssig gehe ich zum verabredeten Treff-Baum im St. James Park, wo mich Angelika in Empfang nimmt. Wir lassen uns für ein Stündchen auf der Wiese nieder und beobachten das Treiben, stilecht bei einer Tasse Tee. Alles schon wieder vorbei. Nur schade, dass man sich erst im August wieder anmelden kann.

Abends wird es offiziell. Erich und ich nehmen die Glückwünsche von Mayor Pat Tworney, Bürgermeisterin unser Partnerstadt Barking-Dagenham, entgegen. Wir zeigen unsere Medaillen und posieren für die Kamera. Es wird spät. Ich schlafe gut. Wahrscheinlich mit einem Lächeln.

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Fotos: BBC

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