Die Erfolgsgeschichte
der Wittener Ultralangstrecklerin und Triathletin Birgit
Schönherr-Hölscher scheint kein Ende zu nehmen. Nach der deutschen
Meisterschaft im 100 km-Lauf sicherte sich die gelernte Sozial- und
Heilpädagogin auch den Europameistertitel bei den Frauen im
belgischen Torhout in einer Zeit von 7:58 h. Schon im vergangenen
Jahr hatte die 38-jährige zweifache Mutter mit einer spektakulären
Aufholjagd im niederländischen Winschoten den zweiten Platz erreichen
können.
Zu der für Ultralangstreckler nicht
außergewöhnlichen Startzeit 20 Uhr wurde die 100
km-Europameisterschaft im belgischen Torhout gestartet. Wie schon in
Winschoten im September 2005 hielt sich die Wittenerin lange Zeit
bedeckt. Schönherr-Hölscher überließ den favorisierten Italienerinnen
und Französinnen die Schlagzeilen der ersten 75 km. Aber im letzten
Rennviertel war sie zur Stelle, überholte eine nach der anderen ihrer
Konkurrentinnen. Auf den letzten sieben Kilometern kassierte sie auch
noch die bis dahin enteilte Französin Laurence Ficautteaux. Im Ziel
hatte die frischgebackene Europameisterin sogar noch einen Vorsprung
von gut einer Minute auf ihre hartnäckigste westeuropäische Gegnerin
herausgelaufen. Zusammen mit ihren deutschen Teamgefährtinnen Marion
Braun und Carmen Hildebrandt durfte sich Birgit Schönherr-Hölscher in
der Mannschaftswertung mit dem Vize-Europa-meisterschaftstitel über
eine weitere Medaille freuen.
Ihre Kindheit verbrachte Birgit
Schönherr-Hölscher mit drei Geschwistern auf dem Lande in
Norddeutschland. Durch die Pferdezucht ihres Vaters war der Umgang
mit Pferden und anderen Tieren von Kindesbeinen an ganz
selbstverständlich. Ebenfalls von großer Bedeutung für die gesamte
Familie war der Reitsport, der für alle Familienmitglieder prägend
war. Seit ihrer frühesten Jugend ist sie generell ein Mensch der Tat,
ein Mensch, der gerne in Bewegung ist. Draußen, in der Natur fühlt
sie sich in ihrem Element, ob auf dem Fahrrad, zu Fuß oder eben auf
dem Pferd. Sport war schon als Grundschulkind Birgit
Schönherr-Hölschers Lieblingsfach. Ihre Sportlichkeit erleichterte
die Entscheidung und bescherte ihr die damals begehrten
„Ehrenurkunden".
Auch später, neben Studium, Beruf und
Kindern, blieb sie dem Sport treu, wobei sie sich aus Zeitgründen
lange Zeit auf ihre Lieblingsdisziplin, das Laufen, beschränkte. Für
die sympathische und wegen ihrer offenen Wesensart geschätzte
Wahl-Westfälin beinhaltet das Laufen Elemente wie Ausgleich, Ruhe, zu
sich selbst finden und abschalten können. Obwohl ihr mit den Jahren
das leistungsorientierte Laufen wichtiger wurde und ihr zudem ein
großes Maß an Anerkennung zuteil werden ließ, hat sie sich die reine
Lauffreude bewahren können. Zum Sport bietet ihr die Familie den
nötigen Ausgleich. Hier findet sie Rückzugsmöglichkeiten, die ihr die
Kraft für neue Ziele geben. Überhaupt scheint sich in der Familie
Schönherr-Hölscher vieles, wenn auch nicht alles, um den Sport zu
drehen. Denn auch Ehemann und Kinder frönen erfolgreich dem
Laufsport.
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beim Wittener
Weihnachtslauf 2004

in Bottrop beim
Paukenschlag 2003 als
Deutsche Meisterin 50km

Rennsteiglauf 2005 |
SPIRIDON: Herzlichen Glückwunsch
zum EM-Titel. Beschreibe doch einmal Deine Gefühle, als Du wusstest,
mir kann niemand mehr den Sieg nehmen?
Schönherr-Hölscher: Ich war überglücklich. Seit Winschoten wusste
ich, wenn ich mir das Rennen richtig einteile, kann ich vorne
mitmischen. Als ich dann noch die drei Französinnen passierte, hat
mir das noch einmal einen ungeheuren Schub an Motivation gegeben. Es
ist schon ein kribbelndes und kaum zu beschreibendes Gefühl, wenn man
als Siegerin auf das Ziel zustrebt und alle um einen herum Beifall
spenden. Einfach irre.
SPIRIDON: Dabei waren die
Bedingungen in Torhout alles andere als einfach für Dich. Mit welchen
Handicaps musstest Du auf der Strecke fertig werden?
Schönherr-Hölscher: Mit zunehmender Dunkelheit war es mit der
Beleuchtung schon ein Problem. Immer wieder lösten sich helle und
dunkle Phasen ab. Man musste sich immer konzentrieren. Außerdem war
der Asphalt an den Straßenrändern alles andere als gut, so habe ich
mich bemüht, mich immer zur Straßenmitte hin zu orientieren.
SPIRIDON: Birgit, seit gut drei
Jahren gehörst Du zu den dominanten Figuren in der Deutschen
Ultramarathonszene bei den Frauen. Wie ist es zu dieser
Leistungsexplosion gekommen?
Schönherr-Hölscher: Ich habe gar nicht viel anders gemacht als vorher
auch, aber mit den Jahren scheint das Training immer positivere
Auswirkungen zu haben. Klar habe ich versucht, systematischer
aufzubauen und einen Jahresplan mit Höhepunkten aufzustellen. Da
macht sich natürlich auch die internationale Erfahrung bezahlt.
SPIRIDON: Ultralangstreckler
werden von vielen anderen Langstrecklern, die kürzere und schnellere
Wettkämpfe bevorzugen, hinter vorgehaltener Hand immer noch belächelt
und nicht ernst genommen. Was entgegnest Du diesen Vorurteilen?
Schönherr-Hölscher: Nur wer einmal einen 100 km-Lauf mit all seinen
Facetten mitgemacht hat, kann wirklich mitreden. Klar ärgern mich
diese Vorurteile, die es zumeist aus Unkenntnis heraus gibt. Bei
vielen Besserwissern ist aber auch sicher etwas Neid dabei. So nach
dem Motto: Jetzt hat sie sich den Ultralang-streckenlauf ausgesucht,
weil sie auf den kurzen Strecken nichts reißen kann. Die meisten sind
aber überrascht, dass ich auch auf den Unterdistanzen „gar nicht einmal
so langsam bin".
SPIRIDON: Hast Du aufgrund Deines
immer weiter ansteigenden Leistungsvermögens und dem damit einher
gehenden intensiven Training nicht die Angst vor langwierigen
Verletzungen?
Schönherr-Hölscher: Ich denke, damit habe ich keine Probleme. Ich bin
mental so gefestigt, dass ich damit klar kommen würde. Sicher wird es
Rückschläge geben. Aber ich habe immer gesagt, der Leistungssport ist
nicht alles.
SPIRIDON: Du startest noch immer
für den PV Triathlon Witten. Wie schaffst Du es neben den vielen
läuferischen Events auch noch einen Start in der 2.
Triathlon-Bundesliga unterzubringen? Schönherr-Hölscher: Auch in
diesem Sommer werde ich wieder an der Triathlon-Runde teilnehmen. Für
mich sind das Radfahren und das Schwimmen eine prima Alternative zum
Laufen. Da werden andere Muskelgruppen beansprucht, die beim Laufen
doch zu kurz kommen. Ich freue mich immer noch spitzbübisch auf die
Saison. Meiner Meinung nach hilft der Triathlon auch dabei
Verletzungen vorzubeugen. Denn monotone Laufbelastungen sind eben
nicht ohne Risiko. © Jörg Valentin,
Laufmagazin Spiridon 8/2006
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Beim Lauf um den Kemnader See 2006
Ausgewählte Ergebnisse 2006:
100km
29.04.06 7:48:33 Hanau 1. DM
16.06.06 7:58:44 Torhout 1. EM
Ironman
23.07.06 10:15:40 Frankfurt 2.W35
06.08.06 09:59:29 Glücksburg 1. gesamt
(Marathon 3:13)
Marathon
12.02.06 3:24:43 Bertlich
(Bestzeit 02.05.04 2:57:14 Regensburg)
Halbmarathon
14.05.06 1:24:47 Unna
Links:
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PV Triathlon Witten
WAZ Portrait 2003 |