Syltlauf, Hörnum-List, 17.03.2002 mehr stories |
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Plattdütsch statt Schicki-Micki Meine Sylt-Kenntnis beschränkte sich auf einen sommerlichen Tagesausflug von Föhr aus. Und meine Vorurteile waren gefestigt. Viele Menschen, bedroh- te Natur, noch mehr Schicki-Micki, gepfefferte Preise, Strandbesuch nur gegen Bargeld. Aber irgendwas muss doch dran sein. Lange Läufe sind fürs Marathon-Training nötig, und sie immer nur zu Hause zu machen, kann sich abnutzen. Also warum nicht Sylt im März laufend in ganzer Länge sehen, über 33,333 km beim in Läuferkreisen schon legendären Syltlauf.
Dass der Franz in Wirklichkeit ein verschmitztes Lächeln im Gesicht trägt, merkt man erst, wenn man ihn selbst erlebt. Die Einladung ist gespickt mit Warnungen, Verhaltensregeln, Ge- und Verboten. Fast könnte man zwischen den Zeilen lesen: Bleibt zuhause, wir sind schon genug. Warum nur ist dieser Lauf so beliebt? Irgendwas muss doch dran sein. Ein TopTen-Lauf - Abhaken der Vorurteile Vergessen war der Termin nicht, und als ich in Helges Laufforen den Tipp las, doch einfach bei der Nudelparty nach freien Startnummern Ausschau zu halten, stand mein garnicht so spontaner Entschluss wenige Tage vor dem Lauf fest. Das klappte auch wie am Schnürchen. Anreise mit Bahn-Sparpreis (99€), Hotelzimmer am Freitag noch telefonisch gebucht und keine 2 Minuten vor Ort, da hatte ich meine Startberechtigung. Der bedauernswerte Gerd H. aus List hatte sich am Tag zuvor das Hirn erschüttert und gab mir seine Nummer 714 zum Normalpreis. Teuer wurde es trotzdem, denn die Umschreibung kostete 20€ extra. Mit insgesamt 45€ für 33km gehört Sylt so auch bei den Preisen zu den TopTen-Läufen. Also schon mal ein Vorurteil bestätigt. Dieser kleine Schock wurde aber schnell verdaut mithilfe von höchst schmackhaften Nudelportionen. Der große Saal bietet Hunderten von hungrigen Läufern Platz an langen Tischen, wir werden mit Musik unterhalten, und als Höhepunkt erscheint eine Tanzgruppe, die alles andere als Folklore auf die Bühne fetzt und den Saal in Stimmung bringt. Hier merke ich bald, dass dies kein Touristen-Event, sondern eine Familientag der Läufergemeinde ist. Zum Wohlfühlen. Veteranen
im Nebel Ich stehe sehr weit vorne, aber hinter der allerersten Reihe geht es eher gemütlich auf die Strecke. Für die ersten km ist die Straße gesperrt, dann müssen wir auf den Radweg. Doch der ist hier so breit wie andernorts die Straßen. Vermutlich hat man sonst einen schönen Blick aufs Wattenmeer, heute aber zeigt sich Sylt eher als eintönige Nebelsuppe. Bis Westerland gehts über 15km weitgehend geradeaus. Der böige Wind kommt von Südost und schiebt uns von der Seite. Ich hänge mich an zwei mollig warm angezogene Veteranen und lausche ihren Erfahrungsberichten von den Marathons der Welt. Und mein Respekt steigt und steigt: "... den Rennsteig lauf ich jetzt zum 16. Mal". Das Tempo ist mit 4:45min/km ein klein wenig schneller als geplant, aber der Puls bleibt unterm Limit. Ist das der Wind, oder ist meine Form so gut? Die alten Kämpen laufen gleichmäßig wie ein Uhrwerk. An der Verpflegungsstation nehmen sie sich aber mehr Zeit als ich. Jetzt muss ich zwar das Tempo allein halten, dafür geniesse ich die Ruhe. Ab und zu laute Anfeuerungsrufe der auf der Straße nebenher fahrenden Betreuer und die lebhaften Übergabe-Stationen für die 51 Staffeln bringen etwas Abwechslung in die lange Gerade im Dunst des Nebels. Klatschmarsch
auf der Kurpromenade Das Publikum ist außergewöhnlich beifallsfreudig. Selbst einzeln stehende Zuschauer werden nicht müde zu klatschen und die Läufer aufzumuntern. Da hilft wohl auch die Urlaubsstimmung, und vielleicht die Kälte. Die Aussicht in die Landschaft wird nicht besser. Ich suche mir andere attraktive Fixpunkte und laufe einige km hinter der späteren W40-Siegerin. Bald geht es in den Dünenbereich, und kurz hinter Kampen müssen die Beine sich umstellen. Unser Pfad ist plötzlich ein Gemisch aus Sand und Kiesel. Wir versuchen eine festgetretene Spur zu finden, eher vergeblich. Dazu kommen einige mühsame Steigungen und der Richtungswechsel nach Ost. Das heißt, der kalte Wind bläst uns jetzt geradewegs ins Gesicht. Zieleinlauf
im Löwenkäfig
Auf den letzten Metern hilft uns das Gefälle, dann tauchen wir als laufende Zoo-Löwen in eine enge Gasse aus hohen Stellzäunen. Die Fans strecken die Arme durch das Gitter und spenden letzten Beifall. Ich höre was von "schlanke Taille". Meint sie mich? Oder sind das die Endorphine?
Mir ging es schon mal schlechter im Ziel. Mit einem Schnitt von 4:51 bin ich sehr zufrieden, sammle meine Medaille ein ("lewer duar üs Slaav"), nehme wirklich nur eine einzige Banane und wärme mich mit Muckefuck im immer voller werdenden Schulraum auf. Die Busse mit den Kleiderbeuteln stehen schon bereit, und die Kaserne nebenan bietet genügend und warme Duschen. Ich schaue mir noch eine Weile das Treiben an und lausche den Fachgesprächen, bevor mich der nächste Bus nach Westerland zurückbringt. Was
ist eine Breitensportkanne? Dann wird noch eine besonders schöne Geschichte erzählt. Jörn Böhle aus Quickborn hat nicht nur dreimal den Syltlauf gewonnen (was macht der mit den ganzen Milchkannen?), er lernte dabei auch eine gewisse Mica Hanke aus Hamburg kennen. Und zwar so gut, dass sich die beiden schließlich an diesem Syltlauf-Wochenende im Westerländer Rathaus das Ja-Wort gaben. Natürlich im Kreise des veranstal- tenden TSV Tinnum 66. Ergebnisliste und Urkunden sind auch schon fertig. Meine bewährten Maßstäbe weisen ein ordentliches Ergebnis für mich aus: nur 4 Frauen und zwei 65er vor mir. Montagmorgen
leih ich mir für 2 Stunden noch ein Fahrrad und schaue mir die
vernebelte Landschaft nochmal mit mehr Muße an. Wann ist nochmal
der Termin fürs nächste Jahr? Es ist schon was dran, am Syltlauf und
auch an dieser Insel. |
nächster
Termin: 21.03.2004
schöne
Luftaufnahme von Volker Frenzel
Dem
Lokalmatador war der von vielen erhoffte In
der Damen-Konkurrenz siegte Verena Becker
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