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Eisenmänner
Foto: privat
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Frankfurt.
Das
war das absolut größte und atem-
beraubendste
Ereignis in meinem bis jetzt so lang- weiligen Leben! Der Sonntag wird
wohl wirklich ein unbe- schreibliches Ereignis blei- ben, schon beim
Nachden- ken darüber läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. |
Aber der Reihe nach: Freitag morgen nach dem Frühstück haben Frank
und ich die Räder in den Kofferraum gepackt, die Wasservorräte noch
einmal kontrolliert und ab ging's Richtung "Abenteuer IRONMAN
GERMANY". Die Stimmung war noch etwas gedämpft, schließlich
hielten wir uns beide gegenseitig für verrückt und wussten
eigentlich gar nicht, was wir da taten. Na ja, probieren geht über
studieren und die Neugier war halt doch zu groß. Nach etwa
zweieinhalb Stunden Fahrzeit erwartete vor dem Hofeingang unserer
"Schlafstätte" ein etwas dicklicher und rauchender Mann mit
Unterhemd bekleidet und begrüßte uns herzlich in Frankfurt Dörnigheim.
Leider war es nicht wirklich mehr als eine Schlafstätte, zwei
Schlafpritschen in einem 2x2 m großen Zimmer innerhalb einer etwas
"unaufgeräumten" Wohnung, die wir mit dem o. g.
Herren teilen mussten. Nach einem anfänglichen Muffeln meinerseits über
Franks Auswahl unserer Pension stellte sich diese etwas suspekte
Person aber doch als nett und ungefährlich heraus. Trotzdem hielten
wir beide es doch für angebrachter, diesen doch so schönen Tag
lieber außerhalb zu verbringen.
Außerdem war da ja noch um 13.30 die Wettkampf- besprechung für die
Athleten im Festzelt. Also schnell die Sachen ausgepackt und ab ging's
zum Zug in Richtung City. Nach einigen Irrwegen und zig Nachfragen
sahen wir auch schon die ersten braungebrannten und durchtrainierten
Beine von sonnenbrillenbesetzten, Ironman-Hawaii-Finisher-
T-Shirts-tragenden Typen vor uns. "Mmh, vielleicht hätten wir
uns doch lieber nicht anmelden sollen, irgendwie sehen die Leute hier
richtig fit aus!??" Aber egal, die lagen halt nur länger unter
der Sonnebank dachte ich mir und außerdem bedeutet cool nicht gleich
schnell. Jedenfalls waren wir auf dem richtigen Weg und gingen
inmitten einer großen Schar von Amerikanern, Japanern und Italienern
und ein paar Deutschen durch den Park zum Festzelt. Schon komisch, ich
befand' mich schon jetzt in einer anderen Welt. Am Zelt angekommen
lagen schon Hunderte Leute im Schatten unter den Bäumen, einige
wenige setzten sich komischerweise doch der gleißenden Sonne aus und
träumten wohl schon von Hawaii (als ab es am Sonntag nicht schon heiß
genug werden sollte, die Wettervorhersagen versprachen extreme
Bedingungen). Die Wettkampfbesprechung für die Profis verzögerte
sich noch um etwa eine halbe Stunde, das gab uns aber die Gelegenheit,
uns ein erstes Mal ein wenig zu beschnuppern. Endlich durften wir ins
Zelt.
Es war riesig, Hunderte Bänke, eine gigantische Bühne und das
allerwichtigste: eisgekühlte Getränke wohin das Auge reichte, von
Cola bis hin zu Elektrolytgetränken, frisches Obst auf jedem Tisch
und eine angenehme Klimaanlage. Schön, bis hier hin waren wir schon
einmal. Die Besprechung dauerte ca. 1 Stunde und beantwortete uns die
wichtigsten Fragen: Wo ist die Startunterlagenausgabe? Wie komme
ich zum Langener Waldsee? Was benötige ich für den Bike-Check-In?
Wie sieht der Schwimmcourse aus? Verpflegung? Wechselzonen?
Medizinische Versorgung? Penaltys? usw. usw. Mit meinem
vollgeschriebenen Notizblatt ging's danach noch einmal zur Expo in die
Frankfurter Innenstadt, kurz die Leute von "Lauflust" begrüßt
(wir hatten dort auch einen Stand) und danach zur Pasta-Party zum
"Carboloading" :-) Leider sagt auch mein Bauch nach 3
Tellern Nudeln, Spaghettis und Farfalle "Jetzt reicht's" und
so sind wir schließlich abends müde und erschöpft zu Hause
angekommen. Noch einmal eine halbe Stunde an den Main gelegt, das
letzte leckere Eis geschleckt und ab ging's ins Bett.
Um halb sieben gingen bei Frank und mir wieder die Augen auf, die
Hitze im Zimmer war schon wieder unerträglich. Schnell in die
Laufsachen und hinunter zum Main zum letzten lockeren Lauf vor dem
Raceday!! Ganz langsam hieß die Devise und ja nicht länger als eine
halbe Stunde. Nach genau 15 Minuten den schönen Main entlang, die
aufgehende Morgensonne im Blick, machten wir kehrt. Im nachhinein ist
uns aufgefallen, daß keiner von uns auch nur einen Pieps gesagt hat.
Der bevorstehende Tag und die eigenartige Atmosphäre ließen uns in
diesen dreißig Minuten doch ziemlich still werden. Wieder zu Hause
angekommen war das Laufshirt schon nass und ich fragte mich ernsthaft,
wie ich 3,8 km schwimmen, 180 km radfahren und 42,195 km laufen soll.
Der Gedanke an dieses Vorhaben ließ mich kurz verzweifeln. Aber das
Kunststück war, in Etappen zu denken und sich diesen Hammer nicht am
Stück vorzustellen, denn dann wäre dieses Rennen schon verloren
gewesen. Gefrühstückt, umgezogen und dann stand Packen auf dem
Tagesplan: weiße Tüte: Swim-/Start-Bag, blaue Tüte:
Bike-Bag/Transition 1, rote Tüte: Run-Bag/Transition 2. "Jetzt
ja nichts verwechseln! Du hast die Check-Liste zu Hause vergessen!!??
NEIN! Hoffentlich habe ich nichts vergessen, wohin kommt der Helm?
Lieber ans Rad oder in die Tüte? In welche denn jetzt? Was ist mit
den Powerbars? Einen oder zwei auf das Oberrohr kleben? Bekommen wir
nicht welche auf der Strecke? Aber wann? Kann ich die ersten zwanzig
Km ohne feste Verpflegung auskommen? Reichen vielleicht zwei Gels? Mit
wieviel Bar pumpe ich die Reifen auf? Es wird verdammt heiß!! Wir
lassen es lieber! Schmiere ich vorher die Beine ein oder erst in der
Wechselzone morgens? Oh nein, wo sind die Autoschlüssel?? Was hast Du
jetzt schon eingepackt? Warte doch bitte!! Ziehe ich das Running-Top
unter den Neopren oder erst hinterher umziehen? Was essen mir morgen
früh? Wann stehen wir auf? Um 3 Uhr oder doch um 4? Es wird so heiß
morgen!!!"
Nach zwei Stunden höchster Anstrengung standen vor uns: ein weißer
Beutel mit Neopren, Schwimmbrille, Schwimmcap, Body-Glide-Creme,
Sonnencreme für den Hals, 7 Carboshotz, 2 Powerbar, Championchip und
diverse Klamotten für den erhofften Zieleinlauf. 1 blauer Beutel mit
Radschuhen, Helm, Startnummer mit Startnummernband, 3 Carboshotz und
Sonnenbrille. 1 roter Beutel mit Laufschuhen, Running-Cap, Melkfett.
Eigentlich doch gar nicht so viel!! Ich hab' bestimmt die Hälfte
vergessen, auf jeden Fall!
Dann ging's mit dem Auto Richtung Waldsee in Langen. Der Check-In war
in Startnummern aufgeteilt und so waren wir mit ca. 300 anderen
Startern gegen 16 Uhr an der Reihe. Schnell die Räder aus dem
Kofferraum, Vorderrad in die Gabel, roten und blauen Beutel umgehängt
und schon war's geschehen: nach zehn Metern schieben war das Hinterrad
platt!! Das darf doch alles nicht war sein! 3 Monate keine Panne und
jetzt das, knapp 15 Stunden vor dem Raceday :-(( Die Hitze im Auto hat
den Druck wohl auf 12 bar gebracht, also jetzt ja nicht viel Luft ins
Hinterrad. Reifen schnell gewechselt und weiter ging's. Das war der
erste moralische Dämpfer für diesen Tag, hoffentlich ging's besser
weiter. Bei der Check-In-Schleuse angekommen ging alles sehr schnell.
Nummer kontrolliert, Helm überprüft, blauen Beutel ans Rad, Rad
abgenommen, roter Beutel in den LKW Richtung Wechselzone 1 am Römer
in Frankfurt und das war's schon. Schnell noch einen zweiten
Wechselreifen nebst Kartusche für günstige 15 Euro erworben und wir
waren bereit für Sonntag früh um 7 Uhr an der selben Stelle! Kurz
bevor wir zum Auto zurück gehen wollten, sorgte Jürgen Zäck noch für
ein wenig Wirbel, sein Rad wurde mit 4 fleißigen Helfern gut geschützt
vor den Blicken und vor allen vor den Händen "böswilliger"
Konkurrenten (ich erinnere an Roth) in einer mit 10 Schlössern
gesicherten Holzkiste zum Check-In getragen. Ab zum Auto und zur nächsten
Pizzeria, ein Chef-Salat groß ohne Schinken und danach noch einmal
Spaghetti Bologna müssten den Körper noch einmal abschließend mit
der nötigen Energie versorgen. Die einsetzende Müdigkeit nach diesem
Festmahl kam uns beiden sehr gelegen und wir schlummerten schließlich
gegen 22 Uhr sanft unserem ersten IRONMAN entgegen.
Der Wecker stand auf 3.30 Uhr aber gegen viertel vor drei war bei
Frank die Nachtruhe vorbei. Während er sich morgens um kurz vor
drei auf einer Bank am Main schon einmal seelisch auf die vor ihm
liegenden knapp 16 Stunden vorbereitete, hielt ich es für
angemessener, die noch zu Verfügung stehende Zeit fürs Schlafen zu
nutzen. Aber nachdem ich die Augen wieder schloss konnte ich sie auch
schon sofort wieder öffnen, denn jetzt war es auch Zeit für mich
aufzustehen. Zum Frühstück gab's erst einmal eine leckere Banane und
eine halbe Flasche Wasser, mmh, lecker, morgens um 4 Uhr hat man
richtigen Heißhunger darauf. Danach noch schnell zwei Powerbar
Harvest Schoko um Blewberry hinterher und man war tatsächlich schon
satt :-) Die Fahrt mit dem Auto zum Metro Großmarktparkplatz von wo
aus Shuttlebusse nach Langen fuhren erwies sich früh morgens
unausgeschlafen in einer Großstadt doch schwieriger als erwartet.
Nach einer dreiviertel Stunde waren wir erst da, raus aus dem Auto,
rein in den Bus mit ca. 10 anderen Triathleten. Am Waldsee angekommen
ging um 5.30 Uhr erst einmal gar nichts mehr. Menschen und Autos wohin
das Auge blickte. Mit einem derartigen Ansturm von Zuschauern hatte
selbst der Veranstalter bei der Premiere des 1. Ironman Germany nicht
gerechnet. Irgendwann durften wir dann aus dem Bus und auf dem noch
langen Fußmarsch zum Startbereich lenkte uns ein kleines verstecktes
Toilettenhäuschen vom direkten Weg ab. "Gott sei Dank, nicht zu
viele Leute vor uns. Wir haben schon fast 6 Uhr, noch eine Stunde bis
zum Startschuss. Wir müssen noch in die Wechselzone, uns umziehen,
das Rad optimieren. Mach' schon, warum sitzt Du dort so lange, liest
der etwa Zeitung auf dem Klo? Wohl doch nicht, die Tür geht auf,
schnell hinein, Beutel abgelegt, Kleidung heruntergerissen, schnell,
schnell..."
In der Ferne sieht man im Dunkel des sehr frühen Morgens nur den mit
zwei gleißenden Flutlichtern erstrahlten Park-Ferme, umzäunt und von
zig Sicherheitskräften bewacht. Geschätzter Gesamtwert zwischen fünf
und neun Millionen Euro! Ein bizarrer Anblick!! Man hört Bässe aus
überdimensional großen Boxen, man hört die Ankündigungen des
Moderators zur Einstimmung auf einen einzigartigen Tag! Frank und ich
sind still, es steckt vielen ein Kloß im Hals. "Wir sind
dabei..."
Der See ist noch ruhig, man erkennt nur schon die zahlreichen Bojen,
die auf dem riesigen See scheinbar unplanmäßig herumschwimmen. So
langsam geht die Sonne auf. Wir kommen an, fast schon 6.30, noch eine
halbe Stunde bis zum Start. Am Eingang der Wechselzone weist uns ein
Mann ab, "Erst zur Beschriftung der Oberarme!" "Oh
nein, ganz vergessen." Eine nette junge Frau schreibt mit einem
riesigen Edding sauber und ordentlich eine 1248 auf meinen linken
Oberarm. Ging ja doch sehr schnell. So, jetzt aber schnell zum Rad,
meines steht in der
zweiten Reihe links hinten, Franks ganz woanders. Wir trennen uns.
Schnell die Tüte in die blaue Box neben das Rad gekippt. Reifen
aufpumpen, wer hat eine Standpumpe??? Ah, der Ami mir gegenüber! Äh,
ja, ich kann sogar in diesem Augenblick noch englische Sätze
formulieren, unglaublich. Powerbars auf' Oberrohr geklebt, zweiten
Ersatzschlauch verstaut, mit Body-Glide eincremen damit der Neo
hinterher schneller vom Körper flutscht, Sonnencreme, Neo anziehen,
blaues Schwimmcap, Brille mitnehmen, Chip am Fußknöchel befestigen
und ich bin fertig für den Start!!
Der Weg zum Schwimmstart wird schon zum Fest! Gänsehaut pur, 1800 Männer
und Frauen bewegen sich hektisch in ihren schwarzen Neopren-Anzügen
und blauen bzw. roten Schwimmcaps Richtung Ufer. Am Start treffe ich
dann auch Frank wieder, wir sind nur glücklich und schauen auf
eine Kulisse mit 15.000 Zuschauern... Der Schwimmstart ist um 300 m
ins Wasser verlegt worden, im Wasser verkündet der Moderator, daß
der Start um ca. 10 Minuten verschoben wird, da die erwarteten
Zuschauer um einiges mehr sind und noch nicht alle am Startpunkt
angekommen sind.
Es ist soweit!! Ich höre einen Schuss, links von mir sehe ich ein
Feuerwerk, dann nur noch Arme, Arme, Beine, Arme, Beine, ich höre das
Geschrei der Zuschauer, die Bässe der Boxen, den Moderator und die
Rotorblätter der Hubschrauber direkt über mir! Ich bin dabei! Der
Traum ist Wirklichkeit! Ich bekomme einen leichten Schlag vor den
Kopf, das ist noch ok. Ich teile auch ein paar Mal unbeabsichtigt aus,
sie werden's überleben. Ich wusste, daß es ein Haifischbecken sein
wird. Nach einem Kilometer beruhigt sich das Feld. Es zieht sich immer
mehr auseinander. Bei jedem rechten Armschlag sehe ich die aufgehende
Sonne die in diesem aufgewühlten See funkelt. Dahinter eine Kulisse
aus Tausenden bunten jubelnden Punkten. Wie ist bloß Hawaii?? Es kann
nicht besser sein! Der erste Wendepunkt nähert sich nach genau 1,1
Km, dann geht's zum ersten Landgang nach 1,9 km. Ich komme gut aus dem
Wasser, Zeit 44 Minuten, das ist ok! Die Menschenmassen bejubeln
zeitgleich den ersten Mann aus dem Wasser: Jan Sibbersen in einer
neuen Weltbestzeit bei einem IRONMAN-Rennen. Ich muß noch eine Runde,
noch einmal 1,9 km, das schaff' ich auch noch, es macht sogar richtig
Spaß :-) Die zweite Runde wird ruhiger, die Sonne steht schon
ziemlich hoch, Wahnsinn wie schnell die Zeit vergeht. In weiter Ferne
sehe ich das riesengroße aufgeblasene Tor mit dem IRONMAN-Zeichen.
Warum kommt das verdammte Ding nicht näher??? Ich denke über etwas
anderes nach: Wieviele Fische mögen jetzt hier unter mir schwimmen?
Wie tief ist es wohl? Ich sollte bald 'mal wieder für die Uni lernen,
oh, bin ja schon fast da! Ich kraule noch bis ich den Sand an meinen Händen
spüre, zu früh aussteigen wäre noch anstrengender... Ich stehe
wieder! Geil, die erste Etappe geschafft!
Ein Blick auf die Uhr verrät mir :1.34 Std., genau damit habe ich
gerechnet, ich bin mehr als zufrieden, meine Augen sind nicht
verdreht... Die Zeit ist nicht gut aber immerhin sind noch unzählbare
blaue Köpfe hinter mir, egal, weiter geht's! Ein Helfer gibt mir ein
Becher Elektrolytgetränk, ich ziehe den Neo bis zur Hälfte vom Körper
und renne in den Bike-Park. Die Zuschauer grölen, mir kommen schon
wieder die Tränen. Ein weiterer Helfer wartet schon am Rad, hilft
mir, den Neo zu verstauen und unterstützt mich moralisch.
Unglaublich! Ich ziehe den Helm auf, die Nummer nicht vergessen,
Schuhe am Rad, ich muß ja noch 100 m schieben bis ich aufsteigen
darf. Mein Tacho funktioniert nicht, das darf nicht wahr sein!!! Ich
bleibe stehen, fummel etwas am Vorderrad herum und probier's erneut.
Fehlanzeige! Ich bleibe noch einmal stehen, drücke ein paar mal an
meiner Uhr herum bis ich fast die Gesamtanzeige lösche! Um Gottes
Willen! Egal, dann nicht, Blindflug!!! Gerade ein paar Sekunden auf
dem Rad schreit eine Gruppe von Menschen "Go, Daniel, Go,
Faster!". Ich drehe mich um und bin mehr als verwundert, woher
kennen die mich!!?? Während ich darüber nachdenke, habe ich schon 10
Leute auf dem Rad überholt, das geht ja einfacher als gedacht :-)
Dann ein weiteres Mädchen am Streckenrand "Ja, Daniel,
weiter!" Häh?? Dann fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren:
auf meiner Startnummer steht groß und fett mein Name! Gute Idee des
Organisators!!
Ich kurbel locker weiter, ich habe etwas dicke Beine, aber das ist
wohl völlig normal habe ich gehört, das ist nach 50 km weg. Meine
Moral wird immer besser, ich überhole permanent Leute. Dann kommt der
erste gefürchtete Berg "The Beast", unten die erste
Verpflegung. Die Stimmung ist unbeschreiblich, nur schreiende Leute an
der Strecke. Roth kann nicht besser sein denke ich mir. Der Berg ist
gar nicht so steil wie ich dachte, im Gegenteil, es macht richtig Spaß
ihn hinaufzufahren. Oben angekommen geht's leicht bergab über ein bis
zwei Km, leider totalen Seitenwind :-( Dann schon der nächste Berg,
die Stimmung wird immer besser, die Menschen immer euphorischer. Km
59: Es geht bergab, ich erhole mich, bin glücklich, rekapituliere die
letzten Stunden. Auf einmal wird's schwammig, ein Platten?? Ich fasse
es nicht!! Ich schmeiße das Rad in die Wiese, ich muß mich beeilen!
Das wird nicht halten, ich kenne mein Glück! Noch ein Platten auf
120km und ich muß aufgeben! Das hat doch alles keinen Sinn! Die
Kartusche der Pumpe strömt schon beim Eindrehen halb aus, na super,
was für eine Qualität!! Egal, dann halt nur 6 bar, besser als auf
der Felge fahren. Wider aller Erwartungen hält die Luft ziemlich gut,
der Luftdruck ist auch ok. Optimal, es kann weitergehen! Eine größere
Gruppe von Zuschauern, die mich beobachtet haben feuert mich besonders
an. Das motiviert bis aufs Letzte, ich bedanke mich bei ihnen! :-) In
den nächsten 4 Stunden habe ich noch ein paar Mal fast die Tränen in
den Augen, so gehen die Menschen mit.
Ich komme nach knapp unter 6 Stunden für 180 km vom Rad, welches mir
sofort von zahlreichen Helfern an der 2. Wechselzone direkt am Main
neben dem späteren Zieleinlauf am Frankfurter Römer abgenommen wird.
Ich schnappe mir meinen roten Beutel mit der 1248 und renne ins Zelt.
Schnell noch ein wenig einschmieren, damit ich mir keine Wundstellen
laufe, Laufschuhe an, Cap und Sonnenbrille auf und ab! Die Uhr zeigt
gesamt 7 Stunden und 40 Minuten, das ist super! Den Marathon unter 4
Stunden hintenraus kannst Du laufen, dann kommst Du noch unter 12
Stunden 'rein, das wäre genial! Ich laufe in eine bunte Wand von
Zuschauern, Athlethen, Helfern, Boxen, Geschrei, Werbetafeln und
-kulissen. Geil! Ich fühle mich ausgezeichnet! Bin ich eben tatsächlich
schon 3,8 geschwommen und 180 Rad gefahren?? Auf der rechten Seite
stehen meine Freundin, Bekannte und eine Menge netter Gesichter, die
mich nach vorne treiben. Leider nur bis Km 2. Es geht nichts mehr!!
Die Hitze ist gnadenlos, ich beginne zu frieren... Was ist los? Habe
ich überzockt? Das kann nicht sein, die Radzeit war nicht wirklich
gut. Zuwenig getrunken? Ist eigentlich auch nicht möglich, ich hab'
die Flaschen zwar nicht gezählt aber es waren etliche Liter...
Egal, gehe ich halt ein paar Meter, das wird schon wieder. Ich erhole
mich kurz, tauche meine Mütze in einen Eimer mit Eiswasser, esse eine
viertel Orange und schütte noch zwei Becher Elektrolyt hinterher.
Doch nach zwei Km wieder das Gleiche. Jetzt bekomme ich auch noch Krämpfe,
überall! ????? Das kann nicht sein ????? Ich bin schon zwei Marathons
in diesem Jahr gelaufen, einen in Bestzeit, wie das jetzt!? Nicht
nachdenken, ich muß mich neu motivieren. Ich schaff' das schon. Nur
wie? Es geht. Die Laufstrecke (3 x 14 km) ist gesäumt von
Sonnenanbetern, die eisschleckend mit Fahnen und Bannern und Pfeifen
versuchen, deine Qualen zu vergessen. Ich quäle mich jetzt richtig,
ich laufe kurz, dann gehe ich wieder. Es geht nicht mehr, ich muß beißen.
Unter 4 Stunden? Pah! Wenn ich Glück habe schaff ich's noch unter 5.
Wenn ich Glück habe. Die Kilometer vergehen trotzdem wie im Flug, ans
Aufgeben denke ich zu keiner Zeit. Egal, und wenn ich komplett
durchgehen muß. Schließlich wäre ich nicht der einzige, sogar Paula
Newby-Fraser, The Queen of Kona, 8-fache Hawaii-Gewinnerin kam mit der
Hitze gar nicht zurecht und brauchte am Ende sogar noch eine Stunde länger
für den Marathon. Gute Ausrede, oder!? :-)
Aber wo ist Frank? Ich habe ihn seit dem Start um 7 Uhr morgens nicht
mehr gesehen. Er dürfte auf jeden Fall schneller geschwommen sein als
ich, nicht viel aber immerhin soviel um vor mir auf dem Rad zu sitzen.
Auf der Radstrecke habe ich ihn aber nicht überholt? Aus ihm kann
doch kein Überriese geworden sein? Da entdecke ich ihn, er
signalisiert mir, er sei auf der zweiten Runde. Das wäre fast eine
Stunde Vorsprung, das kann doch nicht sein. Auf der zweiten Runde sehe
ich ihn noch einmal, es war ein Missverständnis, er ist kurz hinter
mir. Die Hitze ist mörderisch... 10 Km vor dem Ziel gründe ich eine
Solidargemeinschaft mit einem 28-jährigen US-Army-Angehörigen aus
Washington. Die letzten Km werden so sogar noch ziemlich lustig.
Das Schild zeigt Km 36, noch 6 Km, wir schaffen es! Wir laufen wieder
ein paar Kilometer bis das Schild Km 41 zeigt, noch 1000 m. Wir
einigen uns darauf, daß mein neuer Laufkumpane vor mir durch's Ziel läuft
(fürs Foto :-)) Ab jetzt erkennt man auf meinem Gesicht ein wohliges
und seeliges Lächeln, ich könnte die Welt umarmen! Ein
Streckenposten weist uns mit einem Lächeln in Richtung Zielkanal, ich
liebe diesen Menschen :-) Noch 200 Meter, man hört die Ansagen des
Moderators im Ziel, die Musik. Die Menschen auf den Tribünen strecken
ihre Arme aus, ich schlage ab, rechts Hände, links Hände, links,
rechts, links, ich muß doch träumen.
Mittlerweile laufe ich auf einem schmalen blauen Teppich, links und
rechts stehen Palmen und ich möchte ewig dort herlaufen, ewig.......
Da sehe ich den Zielbogen, das leuchtend-rote IM-Logo, ich reiße die
Arme nach oben und bin angekommen! Im Ziel! WAHNSINN - Dieses
unglaubliche Glücksgefühl erlebt man wohl nur ganz wenige Male in
seinem langen Leben...
12 Stunden und 36 Minuten, Zeit ist ok, wird beim nächsten Mal
besser, egal, jetzt geht's erst einmal unter die Dusche und dann auf
die Massagebank.
Ich freue mich jetzt schon auf 2003, Klagenfurt in Österreich soll
sehr schöne Berge haben..........
©
Daniel Pamp 2002
website:
www.ironman-germany.org
mail to Daniel
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Fotos: privat

Dieses Lächeln ist
schon siegessicher.

Nach diesem Tag
schmeckt alles.
Die
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