Diese Seite wird auf privater Basis betrieben und ist nicht kommerziell.
Einnahmen werden ungekürzt gespendet an Sterntaler eV, Herdecke.

mehr stories

Gästebuch  Impressum  Sitemap  Guter Zweck  Kontakt


Artikel von © Robert von Lucius in der FAZ vom 31.12.2003
Bitte copyright beachten, nur für privaten Gebrauch

Gunder, das schwedische Wunder
Hägg lief zehn Weltrekorde in 82 Tagen
Eine Leichtathletik-Legende wird 85 Jahre alt

STOCKHOLM. Zehn Weltrekorde in 82 Tagen: Der Siegeszug Gunder Häggs ist in der Leichtathletikge-schichte einmalig. Vom 1. Juli bis zum 11. Oktober 1942 lief er 32 Rennen, gewann alle und stellte dabei zehn Weltrekorde auf. Wie der Finne Paavo Nur-mi ein Jahrzehnt davor brach Hägg alle Weltrekorde zwischen 1500 und 5000 Meter. Als erster unterschritt er am 20. September 1942 auf der ihm wenig vertrauten 5000-Meter-Strecke die 14 Minuten - auf regennasser Bahn und bei Gegenwind, zehn Sekunden schneller als der bisherige Rekord. Erst zwölf Jahre später unterbot Emil Zätopek diese Bestmarke, und Häggs Meilenrekord hielt neun Jahre, bis Roger Ban-nister 1954 erstmals unter vier Minuten lief.

„Gunder, das Wunder" wurde rasch zu einer Legende und zum wohl ersten Nationalidol seines Landes, obwohl er nie an Olympischen Spielen teilnehmen konnte. In den Kriegsjahren - seine beste Zeit hatte er zwischen 1941 und 1943, als er auf allen Mittelstreckendisziplinen bester Läufer der Welt war, angestachelt auch von der Rivalität mit dem Schweden Arne Andersson - fanden sie nicht statt, und im November 1945 wurde er wie Andersson wegen eines zweiten Verstoßes gegen Amateurbestimmungen zeitlebens gesperrt.

Seitdem lebt Hägg, der an diesem Mittwoch 85 Jahre wird, zurückgezogen nahe der südschwedischen Stadt Malmö: als Holzfäller, Feuerwehrmann, Krawattenver-käufer und Verkäufer von Damenhüten. Er verdiente sich ein Zubrot durch auch ins Deutsche übersetzte Erinnerungsbände - seine letzte Autobiographie schrieb er 1987 - und Laufanleitungen. Seine Ratschläge waren ebenso unkonventionell und unabhängig wie sein Leben: Um herkömmliche Regeln und Gefahren scherte er sich nicht. Erst mit sechzehn begann er mit dem Lauftraining, zwei Jahre später gehörte er zur Weltklasse. Aschen-bahnen betrat er nur zum Wettlauf. Sonst übte er in Wäldern auf weichen Naturböden und im Schnee, was angeblich die Lungen stärkte und die Sehnen schonte - sein mythenumsponnenes Välätal wurde zum Eldorado schwedischer Leichtathleten.

Zu einigen Läufen in den Vereinigten Staaten fuhr Hägg 1943 mit einem Tanker über den Atlantik, obwohl dieser von Kriegsschiffen und Torpedos beherrscht wurde, und in Berlin lief er zweimal mitten im Krieg. Daß er sich nur um das Laufen, nicht um Politik oder strikte Amateur-regeln kümmerte, wurde ihm zum Verhängnis: wie damals etwa 40 anderen aktiven schwedischen Leichtathleten und 200 Funktionären.

Daß Gunder Hägg sich wenig um die Umwelt und deren „Nichtigkeiten" scherte, zeigte schon sein Wohnzimmer. Er hängte darin zwei Urkunden nebeneinander: einen Brief des schwedischen Königs, daß er der größte Athlet des Landes sei, und den heftig umstrittenen Bescheid des Verbandes, mit dem er gesperrt wurde. Auch Jahrzehnte nach seinem beispiellosen Siegeszug wird sein Name geachtet. Nicht nur vor einem Stadion in Gävle steht seine Skulptur, sondern auch vor dem Schwedischen Rundfunk in Stockholm, dessen erste Direktsendung aus einem anderen Kontinent ein Lauf Häggs in Amerika war. Briefmarken ehrten ihn ebenso wie unzählige Bücher. Fonds und Stipendien tragen seinen Namen. Professoren der Literaturwissenschaft und der Philosophie stellen in neuen Werken über Sporthelden, Ideale und Moral Gunder Hägg in den Mittelpunkt: Im Zweiten Weltkrieg, schreiben sie, hätten andere Länder Kriegshelden gehabt, Schweden aber habe „seinen" Gunder Hägg gehabt, der dem König den Rang ablief, dann aber beiläufig bemerkte, Sport interessiere ihn nicht sehr.

Anhand seines Lebens widmen sich Studien dem Verhältnis von Natur und Zivilisation und der „Sozialisierung zum Mann". Selbst die Stärkung der Verteidigungsbereitschaft der Schweden im Weltkrieg wurde mit ihm in Verbindung gebracht. Eine populäre „Proggband" nannte sich Gunder Hägg, sie mußte sich aber nach einem Rechtsstreit mit ihm umbenennen. Sie widmete ihm 1970 ein Lied über die Zeiten der Wölfe, Idealismus und „schleimigen Kapitalismus": Das hat selbst der andere Wunderläufer Nurmi nicht geschafft.

© Robert von Lucius, FAZ 31.12.2003 

 


Gunder Hägg
(Foto: Nordnet.fr)



Buchtipps für Läufer

Lauf-Infos auf der
Link-Seite

 

 

 

 

 

 


Diese Seite wird auf privater Basis betrieben und ist nicht kommerziell.
Einnahmen werden ungekürzt gespendet an Sterntaler eV, Herdecke.

nach oben   mehr stories

Gästebuch  Impressum  Sitemap  Guter Zweck  Kontakt