02.10.2005
Mein Ultra-Debut beim 2. Kölner 12er
Auf den 6-Stunden-Lauf beim 2.
Kölner 12er freute ich mich schon länger. Es sollte mein erster Ultralauf
werden. Und die Berichte zur Premiere 2004 und die Vorabinformationen ließen
mich auf eine nette, familiäre und gut organisierte Veranstaltung hoffen.
Als ich die Rheinbrücke
überquerte, lief mir die Erinnerung an meinen ersten Marathon in Köln durch den
Kopf und ein Schauer über den Rücken. Kurze Zeit später, gegen 11.00 Uhr, kam
ich am Veranstaltungsort in Köln-Weiden an und fand einen taktisch günstigen
Parkplatz direkt hinter den Verpflegungspavillons.
Die 12-Stunden-Läufer, die bereits
um 7 Uhr gestartet sind, hatten da schon etliche Kilometer in den Beinen. Unter
ihnen auch Ultralauf-Prominenz wie der Transeuropalauf-Sieger Robert Wimmer.
Ich hatte bis zum Start des
6-Stunden-„Bambinilaufes“ noch ausreichend Zeit, meine Startnummer und ein paar
Gaben in der Startertüte abzuholen, meinen persönlichen Verpflegungs- und
Klamottenwechselstand im Kofferraum einzurichten und den obligatorischen Gang
auf die Keramik zu erledigen.
Andre und Ulli, mit denen ich
vorher schon Mailkontakt hatte und die ebenfalls ihre Ultra-Premiere feiern
wollten, lernte ich auch kennen.
Meine Taktik für den
6-Stunden-Lauf war recht einfach. Ich wollte möglichst lange einen
gleichmäßigen 6:00-Schnitt laufen und mindestens 50 Kilometer schaffen. Mental-
und kräftemäßig sollte dies eigentlich kein Problem darstellen. Allerdings
hatte ich gewisse Zweifel, ob meine Gehwerkzeuge mitspielen würden, da ich in
der Vorbereitung diverse Zipperlein hatte.
Wenn das mit einem gleichmäßigen
6:00-Schnitt tatsächlich funktionieren würde, gäbe es gleichzeitig eine neue
persönliche Bestleistung auf der Marathon-Distanz.
Zumindest das Wetter wollte seinen
Teil dazu beitragen. Ungefähr 15°C bei meist bedecktem Himmel – für mich ideal.
Um 13.00 Uhr futterten die
12-Stunden-Läufer ihre Nudeln und die gut 30 Teilnehmer des 6-Stunden-Laufes
wurden auf den amtlich vermessenen 2-Kilometer-Rundkurs geschickt. Unter ihnen
auch Shakal Ryan, der erst ein paar Tage zuvor den Deutschlandlauf von Rügen
nach Lörrach über gut 1.200 Kilometer gefinished hatte.
Vom Startbereich führte die
durchgehend flache und meist asphaltierte Strecke zunächst nach einem Links-
und später einem Rechtsknick an Büschen, Wiesen, Feldern und ein paar
Vorstadtteenies vorbei, überquerte einen Parkplatz und verlief dann durch
Wohngebiet. Nach der 1.000 Meter-Marke, zwei weiteren Rechtsknicken und einem
Linksknick befand man sich wieder auf der Straße zum Startbereich, wo noch eine
Wendemarke umlaufen werden mußte, bevor die Zeitnehmermatten die nächste Runde
einpiepsten.
Klingt langweilig – war es aber
nicht.
Mit Andre hatte ich zuvor
verabredet, möglichst lange zusammen im 6:00-Schnitt zu laufen. Das
funktionierte zunächst ganz gut. Wir hatten offensichtlich die gleiche
Schrittlänge, denn die Füße platschten synchron. Allerdings lagen wir leicht
hinter dem geplanten Schnitt zurück, so daß ich ganz leicht das Tempo anzog.
Andre bekam leichte Schwierigkeiten und beschloß nach 10 Kilometern, eine
langsamere Runde einzulegen. Von da an lief ich alleine weiter. Es lief gut und
bei Kilometer 12 hatte ich bereits ein paar Sekunden Guthaben auf den geplanten
Schnitt.
Irgendwie war man immer abgelenkt.
Die 12-Stunden-Läufer liefen teilweise schon recht langsam oder gingen, so daß
ich häufig überholte, aber auch von den schnellen Hirschen und Rehen mehrfach
überrundet wurde. Ein älterer Schwede war aufgrund eines Hüftleidens mit
Krücken unterwegs. Er freute sich, als ich ihn auf Schwedisch begrüßte. Die
Streckenposten klatschten unermüdlich. Eine von ihnen gab alles an der Ratsche
– sie hatte ihren Muskelkater hinterher wohl eher in den Armen.
Fußballmannschaften kreuzten den Weg; ein Spieler ließ sinngemäß einen Spruch
ab wie „Ich hab‘ ja keine Ahnung, aber die ganze Zeit im Kreis auf Asphalt
herumlaufen kann doch nicht gesund sein“. Ich hätte ihm am liebsten zugerufen,
daß es ja sicherlich gesünder sei, sich bei einer Blutgrätsche einen
Kreuzbandriß zu holen, hatte aber keine Zeit für Ironie.
Spätestens auf der Straße Richtung
Verpflegungsstand überlegte ich, ob und -wenn ja- mit was aus dem reichhaltigen
Angebot ich denn meine Flüssigkeits- und Energievorräte diesmal auffüllen
sollte.
Von süß (Schokopuffreis, Kekse,
Haribos...) über fruchtig (Banane, Apfel...), gemüsig (Gurke, Paprika...) und
salzig (Tuc, Chips, Nüsse, Jodsalz...) war große Vielfalt vorhanden. Auch die
Getränkeversorgung (Wasser mit und ohne Geblubber, Schorle, Cola, Malzbier,
Iso-Getränk...) ließ kaum Wünsche offen.
Ich griff jedoch meist auf die
bewährten Bananenstücke zurück. Dazu gab es in wilder Mischung Mineralwasser,
Cola und Isogetränke in leuchtenden Farben des Regenbogens und mit dem Aroma
aufgelöster Gummibärchen. Vorsorglich warf ich mir zwischendurch noch ein paar
Salztabletten ein und war dankbar, daß mein Magen das Treibstoffgemisch ohne
Murren hinnahm.
So lief ich Runde um Runde und
baute kontinuierlich, aber eigentlich unbeabsichtigt, mein kleines Zeitpolster
aus.
Meine Knie zickten schon bei
Kilometer 8, aber ich beschloß, sie zu ignorieren. Sie versuchten noch etliche
Kilometer, mich zu ärgern. Ich wollte mich aber nicht ärgern lassen und die
Beine stellten ihre Taktik um. Statt Knieschmerz war nun allgemeine Müdigkeit
angesagt. Die befürchteten Wadenkrämpfe blieben jedoch aus.
Ungefähr nach 25 Kilometern wurde
das Ganze etwas zäher. Die Leistung ließ etwas nach, aber ich brach nicht ein.
Gelegentlich gönnte ich mir eine kurze Dehn- oder Gehpause, so daß die
Rundenzeiten sich meist im Bereich 13:xx bewegten.
Kilometer 42 hatte ich bei 4:23:45
geschafft. Geschätzte knapp 200 Meter weiter, also bei Marathondistanz, drückte
ich die Stoppuhr bei 4:24:38 – neue Marathon-PB!
Kurze Zeit später konnte ich dem
schnelleren Ulli zum Ultra gratulieren und nach 5:24:32 war es auch bei mir
soweit: ich vollendete die 25. Runde und hatte die 50 Kilometer im Sack! Der
Rest war Zugabe. Ich lief meinen Streifen weiter, bedankte mich kurz vor Schluß
bei den stets anfeuernden Streckenposten für die Unterstützung und holte mir
noch schnell ein langes Shirt aus dem Auto, bevor ich die letzte Runde anbrach.
Ich peilte als Zielpunkt einen Sessel an, der beim 2. Streckenposten auf der
Straße stand. Dort angekommen war aber noch Zeit und in der Ferne die 1.000
Meter-Marke zu sehen. Ich gab noch einmal Gas, schaffte es aber nicht ganz.
19.00 Uhr. Schüsse und Autohupen hallten durch das Gelände. Ich stoppte. Das
war’s. Mein erster Ultralauf. Ich hatte es tatsächlich gepackt – und das besser
als erwartet!
Aufgrund meiner ungünstigen
Zielposition wurde ich als letzter vermessen und bekam meine Medaille
umgehängt. 54,950 Kilometer. Klar; die fehlenden 50 Meter bis zur nächsten
vollen Tausend wären auch noch gegangen, wenn ich eine Gehpause verkürzt oder
auf das Shirt verzichtet hätte. Aber das war der einzige kleine Wermutstropfen.
Frisch geduscht ging es später aus
dem Sport-Center hinter dem Verpflegungsbereich eine Etage höher ins Restaurant
zur Siegerehrung. Eine Veranstaltung der kurzen Wege. Dort traf ich auch Andre
wieder. Mit Putenschnitzel, Pommes, Salat und 2 großen Alster füllte ich meine
Energiespeicher wieder auf und spendete den Siegern und Platzierten den
verdienten Applaus, insbesondere der Gesamtsiegerin Ilona Schlegel, die in 12
Stunden beeindruckende 131,159 Kilometer erlief.
Zufrieden trat ich danach den
Heimweg an.
PS: Auf dem Rückweg von
meiner Schlußposition zum Startbereich
fragte mich einer der Vorstadtjugendlichen, da ich eine Medaille umhängen
hatte, ob ich gewonnen hätte.
Ich antwortete: „Ja – gegen mich
selber.“
Er lachte.
Er hatte nichts verstanden...
© Stefan Schirmer, Hagen
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