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Artikel von © cld., Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.08.2001

Ein Stück vom Fell des Löwen auch für kenianische Helfer
Afrikanische Dauerläufer sind taktisch die Besten

Gut geplant ist halb gewonnen. Klingt irgendwie nach Bürokratie, nach Deutschem Leichtathletik-Verband. Ist es aber nicht. Wer die führenden Dauerläufer bei dieser Weltmeisterschaft beobachtet hat, und das sind allesamt Afrikaner, weiß, dass Laufen wirklich Kopfsache ist. Vom Marathon angefangen, den die Äthiopier taktisch dominierten, bis zu den 5000 Metern - strategische Planung ist die Voraussetzung für den Erfolg. Einzelkämpfer wie der Algerier Ali Saidi-Sief haben gegen vereinte Kräfte kaum noch eine Chance. Die 5000 Meter der Männer waren ein Lehrbeispiel, wie man mit einer ausgeklügelten Mannschaftstaktik die Konkurrenz aus den Schuhen rennt. Die Hauptdarsteller: drei Kenianer. Mit einer Offensivtaktik, die zwangsweise Opfer fordert. Es war alles akribisch vorbereitet. „Wir wussten, dass wir das Tempo immer weiter verschärfen mussten, damit Saidi-Sief müde wird", sagte Richard Limo, dem die Vollendung des Gesamtwerks vorbehalten war. Und zwar fast genau an jener Stelle, an der ein paar Tage zuvor sein Landsmann Charles Kamathi die als unschlagbar geltende Lauflegende Haile Gebrselassie überrumpelt hatte. Zweimal genau das Richtige getan, zweimal den Favoriten ausgetrickst, zweimal den Länderkampf gegen Äthiopien gewonnen. Zufall? Strategie. Wenn drei Kenianer gemeinsame Sache machen, bekommen selbst die nördlichen Hochlandnachbarn Probleme. „Ich wollte der Welt zeigen, dass die Kenianer wieder da sind", sagte Limo nach seinem WM-Sieg über 5000 Meter.

Die Gewichte im Dauerlauf haben sich wieder leicht verschoben - zugunsten der Kenianer. Weil die den Teamgeist wiederentdeckt haben. „Wir wollten Gold - für unser Land", erklärte John Kibowen, der als Vierter leer ausgegangen war, das gemeinsame Vorhaben. Gewinnen wollten sie früher auch, aber mehr für sich. Was in die afrikanische Jägertradition passt. Das Fell des Löwen bekommt allein der, der ihm den Todesstoß versetzt. Egal, wer ihm dabei geholfen hat. Aber die Zeiten ändern sich.

Laufen ist Ehrensache in den beiden ostafrikanischen Hochländern. Es geht schließlich ums nationale Prestige, und jeder schaut argwöhnisch darauf, was der Nachbar macht. Doch vor allem im politisch liberaleren Kenia ist der Individualismus ausgeprägt. 

Da stellt mancher seine persönlichen Interessen über die patriotische Pflicht. Was nicht weiter verwundert, stammen doch neun von zehn Läufern aus ärmlichen Verhältnissen. 

Da ist Geld wichtiger als Gold, zählen lukrative Meetings mehr als prestigeträchtige Meisterschaften, auch wenn das kurzfristig gedacht ist. Und in den wenigsten Fällen sind die afrikanischen Läufer von ihren meist europäischen Managern gut beraten. Aber solange das einigermaßen gutging, ließ der kenianische Verband die Sache auf sich beruhen. Es bedurfte erst einer bitteren Erfahrung, um aufzuwachen. Sydney 2000, das war das Schlüsselerlebnis für die Kenianer. Bei den Olympischen Spielen hechelten die erfolgsverwöhnten Highlander aus dem Rift Valley ihren äthiopischen Nachbarn hinterher. Vier Goldmedaillen für die Dauerläufer rund um Addis Abeba, doppelt so viele wie für die Kenianer. Das war so etwas wie ein Super-GAU, denn das Lauf-Duell der beiden Nachbarn entspricht, auf deutsche Verhältnisse übertragen, ungefähr einem Fußball-Länderspiel zwischen Deutschland und Holland. Kein

Sieg ist schöner, keine Niederlage bitterer. Wobei die Athleten selbst allerdings einen angenehm respektvollen Umgang miteinander pflegen. Man schätzt sich, bei aller Rivalität. Fair play statt Häme.

Doch die Kenianer haben gelernt. Verbandspräsident Isaiah Kiplagat ist nicht entgangen, dass die straff organisierte Führung beim nördlichen Nachbarn große Ereignisse generalstabsmäßig angeht. Egal, ob sie Gebrselassie oder Abera heißen, das vierwöchige Höhentrainingslager wie jetzt vor der WM ist für jeden Pflicht. Der kenianische Verband hatte so ein Camp auch stets angeboten, aber auf freiwilliger Basis. Das war in diesem Jahr anders. Nach dem Motto: Wer nicht spurt, fliegt. Wie zum Beispiel Noah Ngeny, der Olympiasieger. Sogar Francis Nyenze, der für den Sport zuständige Minister, rechtfertigte den Rauswurf mit Hinweis auf die nationale Aufgabe. Die Kenianer können sich das leisten, denn das Läuferpotential scheint unerschöpflich. Es machte sie sogar eher stärker, weil die jungen Emporkömmlinge den Teamgedanken neu entdeckt haben. Und weil inzwischen auch auf die Helfer etwas vom goldenen Glanz abfällt. Ähnlich wie im Radsport,    cld.

 

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