Lauf-Service: Gastartikel zum Thema
Gesundheit
Vorsicht bei verstecktem Alkohol!
von K. Hepper
Selbst Menschen mit chronischer Hepatitis B oder C, also einer Krankheit, bei
der konsequente Alkoholabstinenz selbstverständlich ist, meinen, es sei nicht
schädlich, wenn zur Verbesserung der guten Laune hin und wieder ein Glas Sekt
genossen wird. Schließlich fördere das Gläschen Sekt das seelische
Wohlbefinden, das wiederum mehr zur Stabilisierung des Immunsystems beiträgt
als der krampfhaft selbsterzwungene "neurotische" Verzicht. Eine gesunde
Balance zwischen totaler Abstinenz und gelegentlichem Alkoholkonsum würde
durchaus von einer entzündeten Leber toleriert.
Daneben wird in der Öffentlichkeit von Ernährungswissenschaftlern, ja selbst
von Medizinern das Vorurteil propagiert, dass Weißwein oder Rotwein in
kleinen Mengen genossen - die Rede ist von 40 Gramm Alkohol für gesunde
Männer, mithin maximal 0,2 bis 0,4 Litern täglich - einen positiven
gesundheitlichen Effekt habe und einem Herzinfarkt bzw. dem Schlaganfall
vorbeuge. Einige Experten für Sportmedizin werden auch nicht müde, zu
behaupten, dass der halbe Liter Bier nach dem Training bzw. nach dem
Wettkampf absolut unschädlich sei. Damit hat die/der Einzelne das von
"Experten" abgesicherte Motiv, im Namen seiner Gesundheitsförderung lustvoll
zur Flasche zu greifen. Den regelmäßigen "gesundheitsfördernden" Konsum
derartiger Alkoholmengen werten Therapeuten im Tätigkeitsfeld der
Drogenberatung und -prävention allerdings bereits als ein Zeichen von
Alkoholismus (Gewohnheitstrinken). Dialektisch zugespitzt könnte man dies
auch als die Lizenz zum ungehemmten Alkoholmissbrauch bezeichnen.
Verantwortungsbewußte Gastroenterologen und Hepatologen sind sich einig, dass
es für eine intakte Leber keine "vernünftige" Menge gibt, mit der man einen
regelmäßigen Alkoholkonsum als gesundheitsfördernd bezeichnen kann.
Es sind die in der roten Traube enthaltenen Flavonoide, die angeblich nach
den Ergebnissen mehrerer Studien den positiven kardiovaskulären Effekt haben
sollen. Korrekterweise müsste bei diesem Thema von den Experten stets darauf
hingewiesen werden, dass mit rotem Traubensaft derselbe Effekt erzielt werden
kann. Grundsätzlich ist die Empfehlung zu dieser Art des Alkoholkonsums auch
von gesunden Menschen skeptisch zu beurteilen.
Für Leberkranke und Menschen mit permanent erhöhten Leberwerten/
Transaminasen (und hier gibt es die statistische Wahrscheinlichkeit einer
großen Dunkelziffer auch unter den zigtausenden Marathonläufern) ist jede
Form von Alkoholzufuhr reines Gift. Die Deutsche Leberhilfe startet mit Blick
auf den Köln-Marathon eine Kampagne "Bin ich der Zwölfte"", weil jeder 12.
Mensch in Deutschland mit Hepatitis-Viren infiziert ist, darunter eine große
Zahl, ohne es zu wissen. Denn diese Krankheit tut nicht weh und zeigt außer
gelegentlicher Müdigkeit keine auffälligen Symptome.
Wenn in den beiden zuvor geschilderten Beispielen schon bei lebergesunden
Personen die schädlichen Wirkungen des Alkohols bei weitem die - vermeintlich
- gesundheitlichen Vorteile überwiegen, gilt dies zweifelsfrei erst recht für
Hepper (Selbstbezeichnung für chronisch kranke Menschen der
Hepatitis-Community). Denn es handelt sich hierbei um einen verhängnisvollen
Selbstbetrug. Erfreulich ist, dass heutzutage auf Partys und bei
Geselligkeiten bezüglich der eigenen Abstinenz kein Rechtfertigungsdruck mehr
besteht. Früher galt der Nichttrinker als Außenseiter, der eine plausible
Begründung für seinen Verzicht auf Alkohol haben musste, um nicht irgendwie
als suspekt zu gelten. Das Risiko eines in gemütlicher Atmosphäre
gesellschaftlich so erzwungenen Coming-Out für HCV bzw. HBV-Infizierte ist
heute geringer als noch vor über 10 Jahren.
Die lebertoxische Wirkung - in abgeschwächter Form - gilt auch für das so
genannte alkoholfreie Bier, das nach dem deutschen Lebensmittelrecht immerhin
noch bis zu 0,5 % Alkohol enthalten darf. Das wären bei zwei Flaschen = 1000
ml immerhin 5 ml reiner Alkohol. Selbstverständlich handelt es sich hierbei
um ein Genussmittel, das für gesunde Menschen, die eigentlich keinen Alkohol
mögen oder wegen ihrer Fahrtauglichkeit "nüchtern" bleiben möchten, eine
durchaus geschmackvolle Alternative darstellt. Für Leute mit Hepatitis B oder
C heißt es allerdings "Null Toleranz - Hände weg". Dass es sich bei
alkoholfreiem Bier auch nicht um ein Getränk für Kinder handelt, bedarf wohl
keiner besonderen Begründung.
Unbedingt aufgeräumt werden muss bei dieser Gelegenheit auch mit dem
insbesondere jenseits des Weißwurstäquators verbreiteten Vorurteil, das
Stamperl Obstler nach einem fetten Essen fördere die Verdauung. Das Gegenteil
ist der Fall. Da Alkohol leichter verstoffwechselt werden kann als Fett,
werden die für die Verdauung zuständigen Organe wie Leber,
Bauchspeicheldrüse, Galle und Darm sich als erstes auf den Alkohol stürzen.
Die Aufspaltung, Zersetzung und Umwandlung der Nahrung in Energie etc. dauert
dadurch nur noch länger. Im Gegensatz zu Fett kann Alkohol nicht im Körper
gespeichert werden.
Gefährlich sind aber auch die beim alltäglichen Einkauf von normalen
Lebensmitteln versteckten Alkoholmengen, die zunächst nicht ins Auge fallen,
weil sie in den Produkten nicht vermutet werden, in der Werbung keine
Berücksichtigung finden oder später nur klein gedruckt neben vielen anderen
Zusätzen und Inhaltsstoffen im Beipackzettel aufgeführt sind. Anders als bei
"Edlen Tropfen in Nuss", "Weinbrandbohnen", "Rumkugeln" oder "Mon Cherie" ist
beim Kauf vieler Lebensmittel, Genussmittel und Süßigkeiten der Alkoholanteil
oft nicht ohne weiteres erkennbar.
Erst beim Genuss auf der Zunge fällt dem ahnungslosen Konsumenten auf, dass
die in lila Silberpapier eingewickelten Marzipanherzen im Sortiment "Lübecker
Vielfalt" (Banane, Erdbeere, Schweinchen und anderes) diverser
Lebensmittel-Supermärkte alkoholhaltige Marzipanmasse (nach der in
mikroskopisch kleiner Schrift verfassten Inhaltsangabe) mit Rum und Arrak
enthalten, während die in rotem Glanzpapier verpackten Herzchen alkoholfrei
sind. Vorsicht ist auch geboten bei den in Österreich in allen
Lebensmittelhandlungen erhältlichen "Casalis", das sind in durchsichtigen,
bedruckten Klarsichttüten verpackte Schokokugeln mit einer darunter liegenden
Kokoskruste und Rumfüllung.
Während der behandelnde Arzt bei Leberpatienten darauf achten wird, keine
Medikamente zu verschreiben, die wegen ihres Alkoholgehaltes kontraindiziert
sind, gibt es eine große Bandbreite von rezeptfreien Medikamenten, deren
Alkoholanteil manchmal erst bei der Einnahme bemerkt wird.
Beispiele:
Klosterfrau Melissengeist (79 %),
Hustentropfen (z. B. PROSPAN 47 %),
toxi-loges-Erkältungsmittel 38 %,
Doppelherz (17 %)
Erkältungsmittel Umckaloabo (12 %, soviel wie Wein)
Werbung: Kann selbst Kleinkindern bedenkenlos gegeben werden,
Hustensaft, (z. B. Bronchicum 5,4 %)
Bei Gebäck und anderen Konditoreierzeugnissen ist ebenfalls Vorsicht
angesagt. Schokotürme, meistens korrekterweise als "Rumberge" deklariert,
werden nicht selten auch als "Granatsplitter" oder "Teufelsköpfe" (in Bayern
regional als "Zugspitze") angeboten oder mit einer anderen "neutralen"
Bezeichnung versehen. Die unter der Schokoladenkruste enthaltene Trägermasse
ist nur in seltenen Fällen alkoholfrei. Es gibt Bäckereien, die versehen auch
die Schoko/Buttercreme-Füllung sogenannter "Leipziger" mit Hochprozentigem.
Beliebt ist auch das Angebot von "Punschkrapfen" zu Karneval. Diese sind aber
oft auch außerhalb der närrischen Tage des kalendarischen Humordiktats als
"Berliner Ballen" bekannt und können manchmal selbst dann noch mit Eierlikör
gefüllt sein. Der Einzelhandel geht hierbei zum Schaden einer Minderheit
oberflächlich mit seiner Deklarationspflicht um.
Zugespitzt formuliert lauert für Leberkranke in der Edelgastronomie der
Zelltod auf der Speisekarte. Alle "flambierten" Speisen, Nachspeisen, Früchte
in der Metallschale enthalten Reste von nicht vollständig verbranntem
Alkohol. Beliebt ist es auch in Privathaushalten, Speisen und Saucen mit
Alkohol aller Art zu "verfeinern" bzw. abzuschmecken. (Vorsicht bei
Einladungen von Hobbyköchen aus dem Bekanntenkreis) Ihre Leber wird es Ihnen
danken, wenn Sie darauf verzichten.
Grundsätzlich gilt für HBV- und HCV-Infizierte: Im Drogeriemarkt und beim
Lebensmitteleinkauf im Zweifel die Inhaltsangaben durchlesen. Gegebenenfalls
nie ohne Lesebrille in den Supermarkt. In Bäckereien sicherheitshalber
nachfragen. Schließlich gibt es in allen Bereichen ausreichend alkoholfreie
Alternativen.
Mit diesen Informationen geht es nicht um dogmatisch pedantische Verbote
bezüglich der geringen, versteckten Alkoholmengen, sondern vielmehr um
Aufklärung mit dem Ziel, den Leserinnen und Lesern das Risiko, das sie
möglicherweise eingehen, bewusst zu machen.
Informationsquellen:
1. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, November 2007, Rubrik Ratgeber
Gesundheit, "In kleinen Mengen gesund", Text von Prof. Wolff Schmiegel,
Direktor der med. Klinik an der Uni-Klinik Knappschaftskrankenhaus Bochum
2. "Wohl bekomm's!", Udo Pollmer, Brigitte Schmelzer-Sandtner, Kiepenheuer
und Witsch, 2001 Köln
3. "Die Joghurtlüge", Die unappetitlichen Geschäfte der
Lebensmittelindustrie, Marita Vollborn, Vlad D. Georgescu, Campus Verlag,
2006 Frankfurt/New York
4. arznei-telegramm 03/03 (zu Umckaloabo)
Links:
Wikipedia zur Hepatitis
Kompetenznetz Hepatitis
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