TT-TGW: Ironman World Championship Hawaii 2018. Bericht von Ronny
Seidel
Mit viel Emotionen berichtet Ronny Seidel von seinem Hawaii Ironman
2018. Da kann das Triathlon-TEAM TG Witten nur herzlich gratulieren
und seine Erinnerungen als Werbung für den Triathlon-Sport
veröffentlichen:
Mein Weg -
Es kam das Jahr 2016, als ich nach privaten Rückschlägen mich dazu
entschloss, wieder mit dem Triathlon-Sport zu beginnen. Möglich war
dies nur durch die Unterstützung meines Bruders Stephan. Über zehn
Jahre habe ich diesen meinen geliebten Sport nicht mehr ausüben
können. Im August 2016 begann ich also, wieder regelmäßig schwimmen zu
gehen, und ich kam überraschenderweise gut rein und konnte im späteren
Verlauf bessere Zeiten hinlegen als Jahre zuvor. Ich hatte wieder
richtig „Bock“.
So kam im Januar 2017 das Laufen hinzu. Auch hier zu meiner
Verwunderung mit wirklich guten Fortschritten. Das nächste Ziel dann
im März: Mit neuem Rad und großer Motivation ging es zur nächsten
Disziplin. 2017 konnte ich auch schon wieder an diversen
Ligawettkämpfen für den Verein teilnehmen und wichtige praktische
Erfahrungen sammeln, hatte ich doch im Februar beschlossen, mich für
den Ironman in Kraichgau und Frankfurt für das Jahr 2018 anzumelden.
Irgendwie stand zu diesem Zeitpunkt für mich auch schon das Ziel
Hawaii fest, und ich habe es fest im Kopf verankert. Danke auch an
Thomas Fehrs für das Vertrauen, mich direkt wieder in der Liga
einzusetzen, es war genau der richtige Weg...MERCI Thomas!
- Das Ziel: die Hawaii Quali -
Die Vorbereitung für Kraichgau 2018 verlief gut, und ich hatte nur ab
und zu mit körperlichen Problemen zu kämpfen. In Kraichgau hatte ich
mich dann auch noch mit Platz 6 in der AK für die WM in Südafrika
qualifizieren können. Ich wusste aber, das mehr geht, und hatte den
Slot nicht angenommen. Dann kam der Tag des Jahres in Frankfurt.
Ich muss sagen, die Entscheidung, meine Kinder dahin mitzunehmen, war
absolut die richtige. Irgendwie kämpft man doch ein Stück mehr, wenn
man sieht, wie die beiden (Amelie 6; Richard 5) voll dabei sind, und
so kam am Ende Platz 5 in der AK heraus und der Slot für Kona. Diesmal
standen wir montags natürlich bei der Slotvergabe. Auch das war schon
ein toller Moment, und dass es alles so kam, habe ich zu einem
Großteil meiner Freundin Ezo und meinem Bruder Stephan zu verdanken.
Ihre Unterstützung war einfach grenzenlos. Ebenso groß war natürlich
auch der Support durch die ganze Familie.
- Hawaii ...wir sind dabei! -
Irgendwie war alles wie ein großer Traum und doch war es Realität, ich
wurde Teilnehmer beim Ironman auf Hawaii. Mein Bruder war beim
30jährigen Jubiläum 2008 dabei und ich folgte nun zum 40jährigen 2018,
was für ein Zufall. Generell muss ich an dieser Stelle meinem Bruder
von Herzen danken. Er hat nicht nur die Pläne für mich geschrieben,
sondern hat mich auch bei den langen Läufen mit dem Rad begleitet. Das
war ganz großes Kino, und ich war froh, ihm es mit der Hawaii-
Teilnahme ein Stück weit zurückgeben zu können. Man muss dazu sagen,
dass ich kein einfacher Klient war, da ich oft über die Stränge
geschlagen habe, in sportlicher Hinsicht natürlich, aber wir uns am
Ende doch super ergänzen konnten.
- Der Ironman auf Hawaii -
Wir hatten uns gegen den großen Veranstalter entschieden und haben
alles selbst in die Hand genommen und so nicht nur Geld gespart,
sondern hatten auch ein wahnsinnig tolles Apartment in der Nähe von
Kona mit allem drum und dran. Das Feeling vor Ort lässt sich einfach
kaum in Worte fassen. Wenn man diesen Sport so liebt und dann die
Möglichkeit bekommt, dort zu starten, ist es einfach mehr als ein
Traum. Wir wohnten nur 3 Kilometer vom Energy Lab entfernt auf etwa
400m Höhe mit einem wunderschönen Blick auf den Pazifik. Wir hatten
beide unsere Räder mit und haben vorher die Strecke immer in Teilen
abgefahren. Die Hitze und die Luftfeuchtigkeit hatten uns nicht so
viel ausgemacht, und ich konnte meinen Trainingsplan dort gut
absolvieren. Es war einfach wunderbar, wie die Menschen einen
unterstützt haben.
- Der Start am Pier in Kailua-Kona -
Der Check-In lief tadellos, alles war bestens organisiert. Ich hatte
einen guten Platz in der Wechselzone, der leicht zu finden war. Am
Morgen hatte ich noch meine Radflaschen angebracht und die Reifen auf
8 Bar gepumpt. Alles war sehr friedlich und jeder einfach hilfsbereit.
Wir hatten Glück, denn die Wellen der vergangenen Tage waren deutlich
niedriger und so konnte das Rennen im Pazifik starten. Ich hatte mich
weiter links positioniert, um dem Trubel in der Mitte zu entgehen.
Eine sehr gute Entscheidung, ich bin zwar insgesamt 100m mehr
geschwommen, aber dafür ohne große Schläge und Tritte. Ich kam gut ins
Schwimmen und konnte meine Pace machen. Beim Wechsel war das Zelt
einfach extrem voll und mein Einteiler mit den langen, engen Ärmeln
war im nachhinein ein Fehler, denn ich konnte ihn der Nässe wegen kaum
überziehen. Somit hatte ich einen superlangen Wechsel zum Rad. Auf dem
Rad lief es sehr gut. Ich bin 100% ohne Windschatten gefahren, leider
haben viele diesen wichtigen Punkt für diesen Sport überhaupt nicht
ernst genommen, und es gab meiner Meinung nach viel Lutscherei auf der
Strecke. Die Bedingungen waren dennoch gut, aber ich habe mich
trotzdem etwas zurückgehalten. Ich wusste, dass ich viel Energie noch
auf der Laufstrecke benötigen würde. Mittlerweile war es auch wieder
superheiß geworden, und es war wie immer auf Hawaii.
Der Wechsel vom Rad zum Laufen verlief gut, trotzdem merkte ich schon
bei den ersten Schritten, dass mein Magen-Darm-Bereich nicht wirklich
in Ordnung war. Es kam, wie es kommen musste. Ich hatte eine Pace von
4:15, und bei Km 6 am Turn am Ali Drive musste ich ins Dixi. Es war
nicht möglich weiterzulaufen. Am Anfang dachte ich, dass es vielleicht
nur einmal sein müsste und dann wäre alles wieder gut. Weit gefehlt,
denn es ging genau so weiter, und nach dem Anstieg an der Palani Road
war das nächste Dixi dran. Dazu kam das Problem mit dem Anzug und den
langen Ärmeln, den man weder aus- noch angezogen bekommt.
Oberkörperfrei geht aber in den USA nicht, und so wurde es ein
extremes Prozedere, und ich zweifelte sehr, dass ich es überhaupt noch
ins Ziel schaffen würde. Es ging mir richtig schlecht, und ich hatte
jegliche Energie verloren, und ich wusste genau wo. Es war einfach
nicht möglich, die Speicher wieder aufzufüllen.
Das ganze bei Kilometer 12, also noch angenehme 30 Kilometer vor dem
Ziel. Es ist in diesem Moment ganz einfach. Der Körper sagt dir „Junge
halt an, lege dich hin, das war es“. Gut, dass der Körper nicht
alleine entscheidet, und so hat der Kopf dem Körper befohlen,
gefälligst bis ins Ziel zu laufen. Es ist erstaunlich, wie weit sich
diese physische Grenze verschieben lässt, und so kam ich dann Schritt
für Schritt dem Ziel doch näher. Immer in kleinen Etappen und mit noch
kleineren Zielen. Wobei kleine Ziele auf Hawaii sehr große sein
können. Es gibt keinen Baum und auch nicht wirklich viele Kurven. Man
sieht einfach immer nur die unendliche Weite, und alles kommt nur sehr
langsam näher. Genau das ist der Unterschied, und was es so unendlich
hart macht.
Der Weg durch das Energy Lab war brutal, und ich habe einfach alles an
Getränken und Eis aufgenommen. Dann endlich die Abbiegung zur Palani
Road, diesmal abwärts. Man denkt, einfach mal laufen lassen, aber
jeder Schritt bergab tat genauso weh wie zuvor bergauf. Trotzdem war
ich superglücklich, dem Ziel so nahe zu sein, und die letzten Meter
konnte ich sogar noch einigermaßen genießen, obgleich mein Körper
immer noch total leer war.
Im Zielbereich war die Stimmung gigantisch, und ich war einfach nur
froh anzukommen. So wirklich konnte ich es kaum fassen, was da
passierte. Auch wenn die Zeit nicht wirklich gut war bzw. nicht ganz
meinen Wünschen und Vorstellungen entsprach, war es dennoch ein
unglaubliches Gefühl, mit Ansage einzulaufen. Im Ziel habe ich mich
direkt auf den Weg zu meiner Frau gemacht. Einfach den Moment zu zweit
in den Armen liegend zu genießen. Ohne Ezo hätte für mich dieser
Wettkampf nie stattgefunden, ohne sie hätte ich dieses Ziel niemals
umsetzen können und ohne sie wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt
stehe. Ich danke ihr von Herzen für ihren Mut und für diesen
unglaublichen gemeinsamen Moment. Ich danke auch meinem Bruder, der es
mit seinem Trainingsplan möglich machte, dass man nur mit einem Jahr
Vorbereitung gleich den Traum Ironman Hawaii ermöglichen kann. Das war
eine absolute Ausnahmeleistung aller Beteiligten.
Diese Erfahrung und diese Erinnerungen werden ewig bleiben. Ich freue
mich sehr auf die kommende Saison 2019 und wünsche mir, den Verein in
Ligawettkämpfen unterstützen zu können.
ALOHA
Ronny und Ezo
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Fotos: copyright finisherpix
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