Diese Seite wird auf privater Basis betrieben und ist nicht kommerziell.
Einnahmen werden ungekürzt gespendet an Sterntaler eV, Herdecke.

mehr stories

Gästebuch  Impressum  Sitemap  Guter Zweck  Kontakt


Syltlauf 21.03.2004

Schiebewind am Blanken Hans
Selten so stürmisch gelaufen - 33 Kilometer über Deutschlands nördlichste Insel

 

Es gibt noch kleine Wunder: Die Bahn ist pünktlich an diesem Samstagnachmittag. Dafür reden heute alle Läufer vom Wetter. Sturm und Regen lassen uns durch die Fussgängerzone schnurstracks zum Kursaal hasten. Das tun auch die anderen 1299 Angemeldeten, und so lang sind auch die Schlangen. Wir machen kehrt, essen unsere Nudeln in einem Schickeria-Cafe und kommen wieder, als die Schlangen weg sind, aber auch die Bonbon-Dosen alle, die die Läufer als kleines Geschenk erhalten. Als Vergeltung esse ich gleich noch eine dicke Nudelportion. Nach 17 Uhr dürfen wir ohne Eintrittsgeld auf die Westerländer Kurpromenade und lesen die Wetteranzeige: 6°c, Windstärke 7 Bft. aus Westsüdwest.

Ich bin ein Ungläubiger. Da aber das Abendprogramm sonst nichts hergibt und ich empfänglich bin für besinnliche Stimmungen, gehen wir zum Läufer-Gottesdienst in der Alten Kirche St. Niels. Zu Orgelmusik und bei Kerzenlicht gibt Wilfried Schewe eine eindrucksvolle Schilderung der nordfriesischen Inselgeschichte und trägt ein Gedicht vor.

Trutz, blanke Hans“, von Detlev von Liliencron, scheint eine Art Hymne der Nordfriesen zu sein, und die Ergriffenheit überträgt sich vom Vortragenden auf die Zuhörerschar.

Am Sonntagmorgen warten die Busse pünktlich ab 08.20 Uhr am Bahnhof, um die Läufer zum Start in Hörnum an der Südspitze zu bringen. Ich hatte als Kleidersack die Tüte vom Silvesterlauf Werl-Soest gewählt. So eine hat bestimmt kein Zweiter, dachte ich, da ist sie hinterher leicht wiederzufinden. Ich suche mir einen Platz im Bus. Was für eine Tüte hat mein Sitznachbar auf dem Schoß? Richtig geraten, die vom Silvesterlauf Werl-Soest.

Der M65er fragt mich nach meiner Zeit in Soest und gibt sich beeindruckt. Er verrät aber nicht, dass er selbst noch viel schneller ist. Ich erkenne Horst Clement aus Paderborn später auf dem Siegerpodest wieder. Er hat seine AK überlegen gewonnen und mir glatte 10 Minuten abgenommen.

Am Start steht Detlev Domanski neben mir. Mit einem Schild auf seinem Rücken verrät er, dass er heute seinen 50. Geburtstag feiert. Das weiss auch der Organisator Franz, der ihm noch am Start öffentlich gratuliert. Die Läuferschar singt ihm ein Ständchen, das später bei der Siegerehrung nochmal wiederholt wird. Detlef  wird 5. in M50. Jeder, den ich heute kennenlerne, scheint schneller zu sein als ich.

Franz gibt den Wetterbericht durch, inclusive der Wassertemperatur. „Wer bis zum Knie im Wasser steht, ist vom Weg abgekommen“. Immer wieder mahnt er, nicht zu schnell anzugehn, und droht, erschöpfte Läufer vor sich selbst zu schützen und von der Strecke zu nehmen. Ich kenne die Strecke vom Lauf vor 2 Jahren. So wie ein Marathon bei km 30 erst richtig beginnt, so wird es beim Syltlauf erst ab km 25 richtig ernst, wenn es in die sandigen Dünenwege geht, unerwartete Steigungen bewältigt werden müssen und der Wind bestimmt aus der falschen Richtung kommt.

Heute aber ist der Wind unser Freund. Ich wundere mich angesichts meines Tempos über meinen niedrigen Puls. Woran das liegt, merke ich spätestens, als es nach 15km in Westerland Richtung Kurpromenade geht. Windstärke 7, in Böen noch mehr, kommt uns aus Westen entgegen und unser Lauf wird mehr zum tiefgebückten Laufversuch. Doch auch wenn die Bö von der Seite kommt, geraten wir schon mal aus Spur.

Auf der Kurpromenade werde ich vor großem Publikum namentlich erwähnt und sorge so dafür, dass der Lauftreff Witten-Stockum hier zu Ehren kommt. Direkt hinter der Reling tobt der Blanke Hans, die Fluten wogen im Sturm dicht an uns heran.

Vor 2 Jahren hatte ich beim nasskalten Nebellauf nicht viel von der Insel gesehen. Auch da sind wir heute besser dran. Unter dramatischem Wolkenhimmel, der hin und wieder aufreißt, sehen wir mal die eine, mal die andere Seite der Insel. Das Publikum gibt sich ausgesprochen applausfreudig. Zwischen Westerland und Kampen gerate ich in den Endorphinrausch, mutiere zum Dauerlächler und bedanke mich bei jedem zweiten Zuschauer.

Zwischendurch eine Überraschung. Manfred Schöppner vom USC Bochum steht am Streckenrand und feuert mich an. Er coacht seine Vereinskollegin Helga Preuss. Erfolgreich, denn sie läuft auf den dritten Platz der W50 (nein, sie ist nicht schneller als ich).

Dann geht es in die Dünen. Der Untergrund wird anspruchsvoller und die erste Steigung wartet. Der Rückenwind schiebt uns förmlich hinauf. Trotzdem wundere ich mich schon sehr, dass ich immer noch ein 4:30er Tempo laufen kann. Ich beginne mit unwiderstehlichen Überholvorgängen. Nur den Mitstreiter, der mich lange Zeit gezogen hat und der wie ein Uhrwerk den Lauf abspult, muss ich doch auf den letzten Kilometern davonziehen lassen. Auf der langen Zielgeraden spüren wir nochmal, wie das Rennen ausgesehen hätte, wenn dieser Wind aus der falschen Richtung gekommen wäre. Ich glaube, da hätte ich keine 10km zu Ende gebracht.

Im Ziel gibt’s Bananen und Caro-Kaffee, die Kasernen-Duschen sind geräumig und heiß, die Busse für den Rücktransport warten schon. Dann folgt das, was den Syltlauf erst so richtig rund macht. Nirgendwo sonst gibt es eine so schöne, stimmungsvolle Siegerehrung. Franz, der doch jetzt schon im 36-Stunden-Dauerein-satz sein muss, moderiert mit viel Gefühl und Humor. Er versteht es, aus der vollbesetzten Halle eine einzige Läufer-Familie zu machen. Für mich steht fest: Ich bleibe ein Wiederholungstäter.

Leider keine gute Nachricht zum Abschluß: Wegen der Schließung der Marineschule, deren Räume bisher für Übernachtungen, Umkleiden und Duschen genutzt wurden, wird der Syltlauf möglicherweise 2006 zum letzten Male stattfinden.

© Uli Sauer, 26.03.04

nächster Termin: 08.03.2007
Anmeldung ab 01.07.2007 www.syltlauf.de

Die diesjährige Medaille zeigt das Wappen
der Gemeinde Westerland. Übrigens, wie Franz betonte, mit freundlicher Genehmigung
der Verwaltung.

Link zu allen 33 Fotos








Der Berichterstatter mitten im Endorphin-Rausch.


Die beiden neuen Streckenrekordhalter:
Anke Kemmener (2:11:57) und
Jens Henrik-Jensen (1:51:51, mit dänischer Fahne)



Information und
online-Anmeldung:
www.syltlauf.de

nächster Termin: 08.03.2007
Anmeldung ab 01.07.2007 www.syltlauf.de
 

Info zum Begriff
„Blanker Hans“:
siehe hier

 

Mehr Berichte vom Syltlauf
und von weiteren Inselläufen bei
www.insellaeufer.de


zum Lauf 2006:
153 Lauf-Fotos
Kurzbericht
Inselfotos Sylt


Diese Seite wird auf privater Basis betrieben und ist nicht kommerziell.
Einnahmen werden ungekürzt gespendet an Sterntaler eV, Herdecke.

nach oben   mehr stories

Gästebuch  Impressum  Sitemap  Guter Zweck  Kontakt