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The Independent on Sunday, 16 June 2002
Article by © Mark MacKenzie
(translated by U. Sauer)
 

Zwei Brüder und ein Trikot
 

Es sollte der perfekte Betrug werden - Sergio Motsoeneng lief mithilfe seines Bruders in die 
Geldränge - doch sie vergaßen eine Kleinigkeit ... 

Trading places: the brothers who ran into double trouble
It seemed the perfect scam - Sergio Motsoeneng would ensure a fast time by getting his brother to take over for part of the 87km race. But they forgot one crucial detail ...
 

Es ist ein milder Abend an diesem 15. Juni 1999 in Südafrikas Stadt Pietermaritzburg. Sergio Motsoeneng, 21jähriger Langstreckenläufer, Mitglied des Rentmeester Reparil Teams aus Pretoria, entspannt sich gemeinsam mit seinen Mannschaftskollegen. Sie schlürfen Kaffee und lesen zum wiederholten Mal die Infos zum bevorstehenden Rennverlauf. Morgen früh werden sie den 74. Comrades Ultramarathon laufen. Mit seinen 87 anspruchsvollen Kilometern, die von den Spitzenläufern in etwa fünfeinhalb Stunden bewältigt werden, ist er eine der größten sportlichen Herausforderungen südlich des Äquators.

Erstmals am Empire Day 1921 veranstaltet, war der Comrades-Lauf ursprünglich als Ehrung der Soldaten gedacht, die im Ersten Weltkrieg in Südafrika ihr Leben ließen. Die Streckenlänge entstand aus dem Gedanken, dass ein trainierter Sportler in der Lage sein sollte, 90km zu laufen, wenn wehrpflichtige Soldaten mit Gewehr und 30kg Gepäck quer durch Afrika marschieren konnten.

Die Idee der Gründungsorganisatoren wurde noch gestärkt durch Berichte über einen Zulu Läufer, der 150 Jahre zuvor zweimal wöchentlich die Zeitung zwischen Pietermaritzburg und Durban austrug, wofür er stets ganze 12 Stunden brauchte. Das heutige Rennen wird abwechselnd in beiden Richtungen ausgetragen. In Jahren mit geraden Zahlen bergauf (Durban nach Pietermaritzburg), mit ungeraden Zahlen entgegengesetzt.

Im Morgengrauen des 16. Juni steigt Sergio Motsoeneng in das wartende Auto seines Team-Managers Dewalt Steyn. Rechtzeitig zum Start um 6 Uhr drängt sich der Läufer in die erste Reihe des 20.000 Teilnehmer starken Feldes. Wie seine Konkurrenten trägt er einen Mikrochip am linken Schuh, mit dessen Hilfe die genaue Zeit zwischen Start und Ziel elektronisch gemessen wird. Sergio ist sich sicher, weit vor der offiziell zugelassenen Höchstzeit von 11 Stunden im Ziel in Durban anzukommen. 

Seine läuferischen Fähigkeiten sind mehr als  überdurchschnittlich. Mit seiner Marathon-Bestzeit von 2:13 Std träumt er davon, dem legendären  Bruce Fordyce folgen zu können, der den Comrades ohne Unterbrechung in den Jahren 1981 bis 1988 gewinnen konnte, und noch einmal 1990.

Serigo nähert sich der 20km-Marke, sucht in der Zuschauermenge vergeblich nach Bekannten, bevor er in einem der mobilen Toilettenhäuschen verschwindet. Wenige Minuten später erscheint er wieder, um sich unauffällig, aber von einer anrüchigen Aura umgeben,  wieder ins Rennen einzureihen. Das hat jedoch nichts mit körperlichen Unpäßlichkeiten zu tun, sondern ist der Dunst, der von Betrügern ausgeht. 

Dieser Sergio, der die nächsten 20km laufen wird, ist nicht mehr er selbst, im wahrsten Sinne des Wortes. In einem dreisten, unsportlichen Versuch, an einen Teil der Siegprämien für die ersten Zehn von insgesamt 610.000 Rand (~100.000 Euro) zu kommen, hat Sergio sich das Rennen mit seinem 19jährigen Bruder Sefako geteilt. Sefako, ein vielversprechender junger Mittelstreckenläufer, übernimmt den nächsten 20km-Abschnitt. Dann wird Sergio, nach einem weiteren WC-Stop, das Rennen zu Ende bringen.

Heute, 3 Jahre danach, hilft Sergio Motsoeneng als unbezahlter Trainer beim Liberty Nike Athletics Club in der Republik Südafrika und erzählt unbeschwert über den - wie er es jetzt nennt - Zwischenfall.


"Hinten im Ziel wunderte sich mein Trainer: 'Sergio, Du bist unter den ersten Zehn, warum kannst Du nicht darüber freuen?' "


"Nachdem wir das Trikot gewechselt hatten, fuhr ich zu einer Stelle kurz vor halber Strecke," erzählt er. "Ich hatte vor, die zweite Hälfte in ungefähr 2:20 Std zu laufen, was nahezu Streckenrekord bedeutet hätte." Motsoeneng spricht, als berichtete er über eine ganz normale Renntaktik und nicht den  hinterhältigen Plan, dessen Ausführung einen nationalen Aufschrei verursachen sollte.

Aber der Plan ging nicht auf. Beim zweiten Wechselpunkt wartete Sergio im Klohäuschen auf seinen Bruder. "Dewalt Steyn sollte bei km 40 an der Wasser-Station stehen, aber als ich mit Sefako in der WC-Box war, erschien er plötzlich vor der Tür mit einem Energiegetränk für mich. Wir hielten den Atem an und tauschten vorsichtig Trikot und Schuhe. Nach 10 Minuten verschwand Dewalt. Sefako fuhr mit dem Taxi nach Hause und sah sich das Rennen im Fernsehen an. Dort bekam er Zweifel, weil ich nicht so früh wie berechnet das Ziel erreichte."

Zurück im Rennen, drückte Sergio aufs Tempo. "Ich wollte möglichst viele Plätze gutmachen, aber im Laufe des Rennens nagten Zweifel an mir, ob uns nicht doch jemand durchschaut hatte. Bei etwa km 70 forderte mich Dewalt auf, das Tempo zu halten, da wusste ich, dass er nichts bemerkt hatte."

"Ich überquerte die Ziellinie (als Neunter), und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich erinnerte mich an ein Wort meiner Eltern: Wenn Du etwas getan hast, was nicht richtig war, wirst Du es nicht verbergen können. Dewalt kam zu mir und fragte: 'Sergio, Du bist unter den ersten Zehn, warum kannst Du Dich nicht darüber freuen?' "

Aber während Steyn nicht bemerkt hatte, dass da etwas nicht stimmte, war da noch jemand anders. Nick Bester, ein früher Teamkollege Sergios in Nord Gauteng, kam als 13. ins Ziel. Ihm kam verdächtig vor, dass Sergio vor ihm war. Einen Monat später wurden die Doping-Untersuchungen routinemäßig veröffentlicht. Sergio war sauber, und Nick musste damit zugestehen, dass er regelgerecht geschlagen worden war. Aber er ließ nicht locker. Er bat die offiziellen Renn-Fotographen um Hilfe und - nachdem er sich durch Berge von Fotos gearbeitet hatte - stieß auf zwei Bilder. Beide schienen Sergio im Rennen zu zeigen, aber die Farbe seiner Uhr war unterschiedlich, einmal pink und einmal creme, und er trug sie erst rechts und dann links.

Gerade als Bester an die Öffentlichkeit gehen wollte, klingelte bei einem örtlichen Rechtsanwalt das Telefon. Clem Harrington, 50, mit 21 Läufen selbst ein Comrades-Veteran, kannte die Familie Motsoeneng seit Jahren. "Ich bekam die Fotos per Fax und konnte ohne weiteres erkennen, dass es zwei verschiedene Personen waren. Ich machte ihnen klar, dass sie damit nicht durchkämen und brachte sie zu den Veranstaltern. Sie waren geständig, gaben ihre Medaille zurück und das war's." Nicht ganz.

Das Prämiengeld von 6.000 Rand (~1.000 Euro) blieb unauffindbar. Sergio behauptet bis heute, er habe das Geld seinem Vater gegeben. Dem widerspricht seine nahezu bettelarme Familie laut einem Interview in einer südafrikanischen Tageszeitung. "Ich weiß nicht, wo es geblieben ist", sagt Harrington, mit dem Unterton des Mannes, der danach schon tausende Male gefragt wurde, "aber ich glaube, die beiden haben das Geld ausgegeben. Wir haben die story an ein Magazin verkauft, und das Geld an die Veranstalter zurückgezahlt."

3 Jahre hatte Sergio jetzt Zeit, über die Geschichte nachzudenken. Seine Sperre läuft in diesem Monat ab. Den Comrades allerdings darf er frühestens 2009 wieder laufen.

"Wenn ich das Rennen wieder laufen dürfte, würde ich so etwas nie wieder tun", beteuert er. "Die Sperre hat meine Karriere beendet. Hätte ich nicht betrogen, hätte ich das Rennen gewinnen können."

Eine Ansicht, die Harrington nicht teilt. "Das ist herzlich unrealistisch", sagt der Comrades-Veteran. "Um dieses Rennen gewinnen zu können, muss man ein ganz aussergewöhnlicher Sportler sein." Harrington vertritt die Brüder Motsoeneng weiterhin und gibt damit ein Beispiel, Vergangenes zu vergeben. Er sagt: "Es war mir wichtig, Klarheit in die Sache zu bringen, und für die beiden Brüder war es gut, einen Schlussstrich zu ziehen."

© Mark MacKenzie
(
deutsch von U. Sauer)

Infos zum Rennen unter www.comrades.com

The evening of 15 June 1999 is a mild one in the South African city of Pietermaritzburg. Sergio Motsoeneng, a 21-year-old distance runner with the Pretoria-based Rentmeester Reparil Gel team, is relaxing with his team-mates, drinking coffee while double-checking his newly acquired race instructions. In the morning he will compete in the 74th Comrades ultra-marathon. With front-runners covering the 87 gruelling kilometres to Durban in around five and a half hours, it is the southern hemisphere's most demanding event of its kind.

First run on Empire Day in 1921, the Comrades was conceived as a testament to the spirit and bravery of soldiers killed in East Africa during World War One. The  race's extreme distance was determined by the belief that if a conscripted soldier could march across Africa with a rifle and 60lb pack,  then an able athlete should be able to manage nearly 90km comfortably.   

The vision of the race founders was supported by the experiences of a Zulu runner who, over 150 years ago, would deliver the twice-weekly Natal Witness Express newspaper between Pietermaritzburg  and Durban in an astonishingly regular 12-hour trip. The modern race is run alternately as an uphill  or "up" run (Durban to Pietermaritzburg) in even-numbered years and a "down" run, in the other direction, in odd-numbered years.   

As dawn approaches on the morning of 16 June, Sergio Motsoeneng hauls himself out of bed  and into the waiting car of Rentmeester's team manager, Dewalt Steyn. In time for the 6am race start, Sergio jostles his way to the front of  the 20,000-strong international field.  Like all the athletes, he wears a micro-chip embedded in his left shoe, which measures his exact lapsed time between the start and finish lines. Sergio kicks for Durban, confident he will come in well ahead of the 11-hour official cut-off point for finishers.

His running credentials are excellent, if not extraordinary. With a standard marathon personal best of 2hr 13min, he hopes one day to emulate such Comrades legends as Bruce Fordyce, the internationally renowned ultra-marathon guru who recorded consecutive Comrades victories from 1981 to 1988 and again in 1990.

Approaching the 20km mark, Sergio scans the crowd for familiar faces before deciding to take a toilet break. He enters a cubicle, emerging a few minutes later to make his way gingerly back to the race, followed by an unpleasant smell. But the smell has nothing to do with an upset stomach, the dreaded "runner's trots". The odour that follows Sergio Motsoeneng is the whiff of skulduggery, and it is about to catapult the 1999 Comrades ultra-marathon into sporting infamy.

The Sergio who runs the next 20km is not himself. Quite literally. In an audacious, if unsporting, bid for a share of the 610,000 rand (£61,000 at 1999 rates) winner's purse which will be divided between the top 10 finishers, Sergio has decided to boost his chances by changing places with Sefako Motsoeneng, his 19-year-old brother. A promising middle-distance runner, Sefako will run the next 20km. Then, after a further swap at another toilet pit-stop, the real Sergio Motsoeneng will take over again for the remainder of the race.

Fast forward three years, and Sergio Motsoeneng is working as an unpaid coach with the Liberty Nike athletics club in South Africa's Free State province, happy to talk about what he refers to as "the incident".


"I finished the race - my trainer said to me: 'Sergio, you came in the top 10, why can't you be happy?' "


"After we changed vests I took some transport to a point just before halfway," he says. "I had planned to run the second half in about 2hr 20min, which would have taken me near the course record." Motsoeneng speaks as if reviewing a legitimate race strategy rather than the underhanded plot which caused a national outcry.

But the plan hit a snag. At the second changeover point, Sergio waited for his brother in a toilet. "Dewalt Steyn was supposed to meet me at the 40km water station but, as I entered the toilet with Sefako, he appeared outside the door with an energy drink for me. We held our breath before changing very slowly and after 10 minutes Dewalt left. Sefako took a taxi home and watched the rest of the race on television. He became worried, as he knows how fast I am and couldn't see my placing."

Back in the race, Sergio pushed hard. "I wanted to move up the positions but as I ran, doubt came into my mind as I realised somebody may have seen us. At around 70km, Dewalt told me to push on, that's when I realised he did not know what had happened."

"I crossed the finish line [in ninth place] and my heart was beating fast, because I remember from my parents that when you do something wrong you can't hide. Dewalt came to me and said: 'Sergio, you finished in the top 10, why can't you be happy?'."

But while Steyn hadn't noticed anything was amiss, somebody else had. Nick Bester, a former Gauteng North provincial team-mate of Sergio's, crossed the line in 13th place. Inquiring into those finishing above him, he became suspicious on finding the name Sergio Motsoeneng. Bester bided his time, yet a month later, when Sergio's routine dope tests came back clean and he could provide no evidence to the contrary, he was forced to concede he had been fairly beaten. But something niggled. He sought out the official race photographers and, after trawling through mountains of stills, came across two images. While both appeared to picture Sergio running, it seemed that at some point he had changed the colour of his watch, from pink to cream, and switched it from his right to left wrist.

As Bester prepared to go public, the telephone rang in the office of a local lawyer. Clem Harrington, 50, is a veteran of 21 Comrades and has known the Motsoenengs for years. "I was faxed the pictures and could tell from the faxes that they were different people. I told them they would never get away with it and took them to Comrades House [in Pietermaritzburg]. They confessed, returned their medal and that was it."  Well almost.                 

The R6.000 (£600) the brothers won had mysteriously disappeared. Sergio's assertion, maintained to this day, that he gave it to his father was contradicted by an interview with his near-destitute family in a South African national newspaper. "I don't know where it went," says Harrington, with the weary air of a man who has been asked the question a thousand times before, "but I suspect the brothers spent it on themselves. We sold the story to a magazine in order to repay Comrades."

In the three years since, Sergio has had time to reflect on his public shaming. His three-year ban from all South African competition is up this month, although a 10-year ban from the Comrades event will not expire until 2009.

"If I could run the race again I would never do what I did," he claims. "The bans mean my time as a runner has passed. If I hadn't cheated, I'm confident I would have won the race."

A view not shared by Harrington. "That's pretty unrealistic," says the veteran runner. "To win Comrades you have to be quite exceptional." That Harrington continues to represent the Motsoeneng brothers typifies the generosity of spirit synonymous with Comrades athletes. He says: "For me, it was important to clear the air, for them to rectify what they had done."

© Mark MacKenzie

 

For race informations consult www.comrades.com


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