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London 2003 - The Swinging Run
Wochenend-Bericht vom London-Marathon
 
english version

 

 
 
 

11.04.03 Freitag: Wegfahren und doch Heimkommen

Oft habe ich mich schon gefragt, woran es liegt, dass die Reise über den Kanal mir immer so vorkommt, als ginge es nach Hause. Ich fühle mich einfach wohl in Grossbritannien. Es ist die britische Lebensart insgesamt: Der cream tea, das rücksichtsvolle Fahren auf der richtigen Seite und die Kreisverkehre, die countryside und der National Trust, das pint of bitter im pub, das vegetarische Angebot auf den Speisekarten, bed and breakfast, die Wanderwege ohne Wegweiser, Fussballstadien ohne Zäune, großzügige Supermärkte mit perfektem Service, Berge ohne Seilbahnen, Parklandschaften von Capability Brown ... Es fiele mir noch eine ganze Menge ein (z.B. carrot cake), aber kurz: Britain is different.

Wir wohnen wieder preiswert im Gästehaus unserer Partnerstadt Barking-Dagenham im Osten Londons und bekommen sogar dasselbe ruhige Zimmer wie im Vorjahr. Sofort machen wir uns auf zur Messe. Meine Sorgen um die Startnummer sind schnell vergessen. Die letzte Post mit dem Abholausweis war nicht angekommen, aber ich bekomme auch mit Vorzeigen der ersten Anmeldebestätigung völlig problemlos meine ersehnte rote Nummer 35080. Ich muss noch nichtmal anstehen.

Jetzt bleibt Zeit zum entspannten Shoppen auf der Messe. Wie jedes Jahr kann ich den Kaufrausch nicht verhindern. 3 Shirts, 2 Hosen, 1 Kappe wandern in die Plastiktüten. Dass ich das alles hinterher bei der Abreise vergaß einzupacken, ist eine andere Geschichte ... Dann noch ein paar Tüten Lucozade als Vorrat, damit sich mein Magen schon mal an die Zucker-Attacke gewöhnt. Nur den Stand von Action-Photo zum Bestellen der Fotos finden wir nicht.

Dann ist es schon 8 Uhr und keine Zeit mehr für große Erkundungsfahrten. So lassen wir uns im empfehlens- werten Cafe Rouge in den Docklands nieder und laben uns an weiteren Nudelspeisen.


vor dem Rathaus von Dagenham 
ist Fussballspielen erlaubt 


unser Quartier: Butler Court, Gästehaus des 
London Borough of Barking and Dagenham


12.04.03 Samstag: Ein Tag unter Freunden - Nichtläufern und Läufern

Nach dem englischen Frühstück (natürlich in vege- tarischer Variante) steht Kultur auf dem Programm. Mit Freunden aus der Partnerstadt besuchen wir Eastbury Manor House, ein Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert, das jetzt dem National Trust gehört und von der Gemeinde betreut wird. Bis auf 3 Ausnahmen sind ausschließlich unbezahlte Freiwillige im Haus tätig. Wir haben Mühe, unseren Führer Maurice zu verstehen. Er spricht mit einem ausgeprägten East London accent. Anschließend gibt es Tee im Garten-Cafe, und wir sitzen bis zum Nachmittag gemütlich in der Sonne.

Unsere kleine pre race pasta party steigt in Notting Hill. Wir sind früh genug da, um noch einen Rundgang durch den Ort zu machen. Markenzeichen der Vorstadt sind die großen, privaten Parks mit altem Baumbestand zwischen den Häuserblocks. Wir sind da leider nur Zaungäste. Zufällig kommen wir auch auf die Portobello Road, wo der Markttag gerade zu Ende geht.

In der Casa Frattini treffen wir Rudi aus Graz mit seiner Familie, Arndt aus Gelsenkirchen sowie den Marathon-Debutanten Enno, der zur Zeit in Notting Hill zuhause ist. In bester masochistischer Marathon-Tradition werden nochmal alle möglichen Horror-Szenarien für den Folgetag durchgespielt. Während die alten Hasen sich in Askese üben, stärkt Enno sich selbstbewusst mit Rotwein und einem Fernet Branca für den nächsten Tag.

Leider war das Lokal klein und völlig ausgebucht, so dass Martin mit Familie aus Brambauer keinen Platz mehr fand und auch Charlotte, die plötzlich mit ihrem Gatten hereinschaute, uns nur kurz begrüssen konnte. Das war wirklich sehr schade.


Eastbury Manor House
, Barking, 
für 1 Million Pfund gerade frisch restauriert

 

 

Gute Stimmung am Läufertisch
in der Casa Frattini, Notting Hill.
 

 

 


13.04.03 Sonntag: Blitzstart ins Sommerwetter, routiniert durch den wall zur Mall

Schon am Bahnhof in Barking, es ist 7.15 Uhr, sind die Läufer nicht zu übersehen. Beim zweimaligen Umsteigen folgen mir 2 Läuferinnen, die den Weg nicht kennen. Debbie läuft zum 2. Mal und trägt die Whizz-Kidz- Mütze. In unserem Waggon werden die Teilnahmen hochgezählt. Mit meinem 4. Start bin ich im hinteren Mittelfeld, die Höchstzahl liegt bei 12.


Die Hasenohren sind das Markenzeichen von Whizz-Kidz
Über 600 liefen für diese Charity.

Ab Greenwich Station ist der Fußweg bestens ausgeschildert, einmal sogar auf deutsch. Trotzdem steht noch an jeder Ecke ein Einweiser. Auf der Sammelwiese des roten Starts angekommen, mache ich einen Foto-Rundgang. Das Ergebnis ist hier aufgereiht.

Auch am Start ist die Versorgung bestens. Es gibt Wasser, Lucozade, Tee und Kaffee. Nur die Schlangen vor den Klo-Wagen werden immer länger. Für den zweiten Gang kurz vor dem Start ziehe ich deshalb den Gartenzaun im Park vor. Dort bin ich leicht irritiert, dass in der Männer-Reihe wie selbstverständlich dazwischen auch die Frauen hocken. Die Gleichberechtigung hat inzwischen auch physische Benachteiligungen überwunden.

Der Himmel ist wolkenlos. Zwar ist es jetzt noch ziemlich kalt, aber ein warmer Tag kündigt sich an. Ich wechsle im letzten Moment noch auf ärmellos und gehe erst 15 Minuten vor dem Startschuss in meinen Block 3 für die 3:30er. Trotzdem ist es dort kein Problem, bis fast ganz nach vorn zu durchzurücken. Ich stehe neben einem 70jährigen Läufer der LG Pegasos Berlin. Er ist genauso begeistert von London wie ich und mir um ein Jahr voraus. Es ist seine 5. Teilnahme hintereinander.

Sagenhafte 40 Sekunden nach dem Start bin ich an der Chip-Matte. Das ist Rekord! Und es läuft sofort. Mit 7:28 bin ich gleich zu schnell auf der ersten Meile.

Die Wasser-Station bei Meile 4 wird von den Dagenham 88 Runners betreut. Hier ist auch meine Angelika diesmal als Helferin aktiv. Wie verabredet reicht sie von der linken Seite die Vittel-Flaschen an. Ein schöner Augenblick, als es mir gelingt, eine von ihr zu bekommen. Angelika zeigt mir später ihre von Blasen gezeichneten Hände. 40.000 Vittel-Flaschen hatten die Dagenham Runners an ihrem Stand. Und alle mussten von den knapp 30 Freiwilligen von Hand aufgeschraubt werden, also über 1000 Flaschen pro Person! Aber Spaß gemacht hat es ihr.

So früh wollte ich gar kein Wasser trinken. Aber es ist bereits jetzt sehr warm, und der Schweiß fließt in Strömen. Schon in dieser Anfangsphase fühle ich mich nicht gerade so, als könnte ich heute Bäume ausreissen.

In Greenwich zähle ich die Zuschauerreihen. Die Leute stehen wirklich zu sechst hintereinander und machen einen Heidenlärm. Nach diesem Highlight wird es etwas  ruhiger, wenn auch nie ohne Zuschauer. Die aufgebauten Dusch-Tunnel werden jetzt von den Läufern rege genutzt. Immer wenn Live-Musik dröhnt, und das ist oft der Fall, muss ich aufpassen, dass ich nicht noch schneller werde.

Es wird mir schon etwas lang bis zur Tower-Bridge, aber dann ist es bei Meile 12,5 endlich soweit. Mitten auf der Brücke ist die 20-km-Marke. Am liebsten würde ich jetzt einen Gang runterschalten, um die Stimmung zu genießen, aber schließlich soll es heute eine Bestzeit werden. Also belasse ich es bei einem Dauerlächeln und achte nur noch darauf, dass ich vor den Fotografen, die immer am Ende der Brücke stehen, möglichst unverdeckt auflaufe. Das gelingt, wie man sieht.

Die Halbmarathon-Uhr zeigt 1:40:57. Ich bin gut in der Zeit, aber skeptisch, dass ich dieses Tempo halten kann. Irgendwie fällt's mir heute schwer. 

Dann kommen uns die Hubschrauber entgegen. Unter ihnen fliegt die Männer-Spitze direkt neben uns vorbei. Wir applaudieren und brüllen unsere Begeisterung über den Zaun auf die andere Seite. 

Eingangs der Isle of Dogs gibt es tatsächlich ein paar Hundert Meter ohne Zuschauer. Aber dann! Canary Wharf war auch früher schon ein Zuschauerzentrum, aber solche Massen gab es hier noch nie. Ich werde sogar auf deutsch angefeuert ("Uli, mach weiter"). Sieht man mir hier schon an, wie es mir geht?

Der Wendepunkt am Ende der Docklands gibt psychische Hilfe. Dann ist km 30 erreicht: 2:24 zeigt die Uhr, das heißt, noch 1 Stunde für 12km bis zur Wunschzeit. Das ist 5er Schnitt. Es ist mir klar, dass ich das nicht mehr drauf habe. 

Tunnel 1 am Ende der Docklands. Früher war das die Gelegenheit zum Pinkeln für viele. Heute stehen selbst hier im Tunnel die Zuschauer auf beiden Seiten. Mir tut jetzt jeder Schritt weh. Meile 20 ist die erste über 8 Minuten. Es sollte auch keine mehr darunter folgen. Ein deutscher Läufer nähert sich von hinten und lobt meine Website. Danke und sorry, Konversation ist jetzt nicht mehr.


Krämpfe in den Beinen, aber nicht im Kopf

An der nächsten Wasser-Station versuche ich zu gehen. Sofort verkrampfen sich die Oberschenkel. Erschrocken nehme ich schnell wieder das Tempo auf.

Tunnel 2 auf Höhe Blackfriars Bridge. Von hier an wird man vom Publikum ins Ziel gebrüllt. Das pausenlose  Kreischen links und rechts wird mir schon zuviel. Dabei kann ich die Unterstützung jetzt brauchen. Meile 24: Krampf im rechten Oberschenkel hinten. Der Schweißverlust macht sich jetzt bemerkbar. Aber noch mehr trinken als heute kann ich eigentlich nicht. Ich schütte mir schon Wasser über den Kopf, nutze Schwämme und Dusch-Tunnel. Links raus, dehnen. Das war noch nicht genug. Nochmal stop und dehnen. Immer wieder werde ich persönlich angefeuert. Wie sehr viele Läufer trage auch ich ein selbstgebasteltes Namensschild auf der Brust.

Meile 25: Krampf im linken Oberschenkel. Wieder Halt und dehnen am Bordstein. Zum Glück hilft's und bis zum Ziel kann ich jetzt durchlaufen. Die Zeit ist mir längst egal. Nur einigermaßen stilvoll ins Ziel kommen. Wenn man erstmal am Big Ben rechts abgebogen ist, kommt man auch irgendwie an. Ich versuche noch, soweit es geht, links und rechts zu gucken und die Atmosphäre aufzusaugen.

3:31:30 zeigt meine Uhr auf der Zielmatte. 2 Minuten an der Bestzeit vorbei. Aber ich mag jetzt nicht enttäuscht sein. Ich genieße das Ankommen, posiere strahlend für das Medaillen-Foto, bedanke mich etwas zu überschwänglich bei jedem Helfer, der mir begegnet. Komisch, mir ging es schon schlechter im Ziel. So schlimm kann es nicht gewesen sein. Später sehe ich im Fernsehen, wie Mouaziz im Endspurt mehrfach kotzen muss. Da gings mir vergleichsweise noch gut.

Es gibt viele schöne Momente beim London-Marathon. Einer der schönsten ist es, wenn man als Finisher im St.-James-Park auf der Wiese in der Sonne sitzt und glücklich und zufrieden dem Treiben zuschaut.

Hoffentlich kann ich das noch oft tun. Im nächsten Jahr wäre es schon ein kleines Jubiläum für mich, 
beim 5. Mal.

 
letztes Posieren vor der Abgabe des Kleidersacks
 


die Schatten sind noch lang, die Schlangen 
vor den Klo-Wagen werden noch länger

  

das wird heute auf die Knochen gehen
  

Für die charity nimmt mancher auch größere Lasten in Kauf: Stephen Frisby (3434) lief 7:06 für Breast Cancer Campaign.


 

 

 

Entspannte Zufriedenheit 
im St.-James-Park


So sieht man Whitehall nur einmal im Jahr.
Am Marathon-Tag trinkt man sein Pint auf der Straße.

 

 

nächster Termin:
Sonntag, 18.04.2004
 
Anmeldung ab August 2003 möglich

 


Adrian Bridge (42746, oben links) trug seine Flasche in 4:42 ins Ziel. 
Tony Natale aus Milton Keynes (37449, 2. von links) brauchte mit Ritterkostüm sagenhafte 3:35.
Kevin Eve (51668, unten links) trug über 6:35 die Post aus.
Tommy Armstrong (50764, unten rechts), 62 Jahre alt, sammelte 6:05 lang mit dem Spenden-Eimer Geld.
 

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