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Von Stefan Vorberg Läufer gegen
Radfahrer
Wer kommt schneller auf den Mont
Ventoux?
Letzte Woche sind wir in die Provence gefahren,
um eine 10 Jahre alte Wette einzulösen. Es ging darum, dass ich den Mont
Ventoux (21km + 1900 Höhenmeter) schneller hochliefe, als mein Freund Stephan
mit dem Rad hochfahren würde.
Etwas mulmig war mir schon bei der Sache, zumal
ich gerade den Duisburg-Marathon vergeigt hatte und mir meine rechte Leiste
schmerzte. Aber Wette ist Wette, und nur die verrückten Dinge im Leben machen
das selbige interessant.
Die Provence empfängt uns mit 31° Celsius und
Sonnenschein. Nach dem Auspacken ziehe ich sofort meine Laufschuhe an und
erkunde die Umgebung des Campingplatzes. Andere fahren alles mit dem Auto
oder Fahrrad ab, ich muss mir meine Urlaubsorte erlaufen, das ist intensiver.
Die überwältigende Farbenpracht der intensive Blütenduft und das Zirpen der
Grillen, die Provence nimmt mich gleich gefangen. Sie ist einfach ein Fest
für die Sinne. Der warme Wind verleitet mich noch ein Stück den Mt. Ventoux
hochzulaufen.
Ganz locker geht es los, mit 4,5% auf den ersten
KM und steigt dann gleich auf 9,5%. Nach 2 KM dreh ich um und lass es erst
mal gut sein für heute. In der Zwischenzeit ist bei uns am Campingplatz ein
Pärchen eingetroffen, zwei Extremradfahrer. Als sie mir erzählen, dass sie
1,5 Std brauchen, um den Mt. Ventoux hochzukommen, bin ich erst mal völlig
demoralisiert. Ich lass mich nicht einschüchtern, und am nächsten Tag geh ich
das Training gezielt an. Ich stelle fest, dass ein 6 Minuten-Schnitt viel zu
schnell ist und ich mich auf einen Schnitt von 7 min/km einlaufe.
Am Samstagabend kommt Stephan mit Familie an,
und wir fahren gleich noch mit dem Auto auf den Berg. Stephan ist schwer
beeindruckt, so steil hatte er den Berg nicht mehr in Erinnerung. Leider
hatte unsere Terminabsprache nicht geklappt, und so haben wir nur eine ganz
kleines Zeitfenster, um unsere Wette einzulösen. Stephan muß nun ziemlich
unausgeruht am nächsten Tag das Rennen machen.
Sonntagmorgen ist der Berg in dichte Wolken
gehüllt, und alle Radfahrer kommen uns in Regenzeug entgegen. Davon lass ich
mich abschrecken und laufe wie gewohnt in kurz. Mit unseren Frauen haben wir
verabredet, dass sie mit dem Auto alle 5 KM stehen und uns versorgen.
Kurz noch ein Foto und dann der Start.
Ich ziehe gleich davon, Geschenke werden nicht
gemacht, aber nach 1 KM kommt ein Flachstück, und Stephan zieht an mir
vorbei. Schon bei KM 2 geht es zur Sache: 9,7% Steigung. Das Fahrrad hat hier
klare Nachteile. Stephan muß Tempo rausnehmen, und ich kann wieder in Führung
gehen. Hier am Mt. Ventoux kommt jeden KM ein Stein mit Prozent- und
Höhenmeterangaben für den nächsten KM. Das ist ein großer Vorteil, so kann
man sich den Lauf gut einteilen. Ich laufe mit Pulsuhr immer im Bereich von
85%. Leider kommt jetzt mein treuster Begleiter. Der Leistenschmerz! Doch ich
ignoriere ihn einfach. Es wird immer nebliger, und ich werde langsam aber
sicher klitschnass. Am ersten verabredeten Punkt lasse ich mir Jacke und
Mütze geben und fühle mich auch gleich besser. Das Rennen wird immer mehr ein
Kampf gegen mich selbst und die Uhr. 2 Std werde ich nicht schaffen, aber
unter 2,5 Std sollte schon drin sein.
Leider kann man jetzt die Hand vor Augen nicht
mehr sehen und von der schönen Aussicht schon mal überhaupt nichts. Gut, dass
hier ein abgeteilter Radweg ist, so kommen einem die Autos nicht in die
Quere. Ein Radfahrer kommt mir entgegen, er schiebt sein Rad den Berg runter.
Ich frage ihn, was los sei, und er sagt, es wäre ihm zu nebelig. Hab ich
jedenfalls verstanden mit meinen paar Brocken Französisch, die ich kann. Mir
wird langsam langweilig, von Stephan nichts zu sehen, er kämpft mit seiner
Müdigkeit und der Steigung. In der Ferne schreit ein Kuckuck, und ein junger
Fuchs huscht über die Straße. Ich überhole einen Radfahrer, der sieht
allerdings nicht sehr sportlich aus, mit Tourenrad und Schlappsandalen ist er
auch nicht wirklich gut gerüstet für den Berg. Jetzt kommen mir immer mehr
Radfahrer entgegen, die meisten gucken ziemlich verbissen und erwidern
kaum meinen Gruß. Scheint sie wohl zu irritieren, dass hier ein einzelner
Läufer hochkommt. Bei KM 10 steht wieder meine Frau, und ich nehme ein Stück
Banane und frage nach Stephan, aber der ist schon ziemlich weit zurück. Der
Leistenschmerz hat nachge-lassen, und ich bin guter Dinge. Ich überhole
wieder einen Radfahrer, diesmal sieht er schon etwas sportlicher aus. Aber
ich bleibe vorsichtig, der richtige Hammer kommt erst bei KM 14, wenn der
Bewuchs zu Ende ist und es richtig kalt und steil wird. Mein KM-Schnitt liegt
bei den 10%igen Stücken immer so bei 7 Min, und mein Puls liegt immer noch bei
85%. Die nächsten Km spule ich einfach nur so ab, und auf einmal bricht die
Sonne durch. Sie wärmt mich gleich schön durch, und die Umgebung sieht gleich
viel schöner aus. So lässt es sich gut laufen.
Die Skistation taucht auf, und ich überhole noch
einen Radfahrer. Jetzt hört der abgeteilte Radweg auf, und die Straße wird
enger, allerdings ist hier auch sehr wenig Verkehr. Meine Verpflegung ist
nicht da, sie warten wohl auf Stephan und denken sich, der macht das schon.
Ich habe Hunger, ein Gefühl, was ich sonst nie beim Laufen habe. Der Berg
präsentiert sich jetzt ganz kahl, und es wird deutlich kälter. Das Atmen
fällt mir schon schwerer, und auch mein Schmerz in der Leiste kehrt zurück.
Ich verfluche ihn, aber prompt schmerzt jetzt auch noch die andere Seite.
Jetzt werde ich deutlich langsamer und komme nur noch auf 7 1/2 Min. Da
taucht ein handgemaltes Schild auf. Noch 3 KM bis zum Gipfel. Das spornt mich
an, und ich rechne hoch, ich könnte eine Zeit von 2 Std. 25 Min. schaffen. In
einer Spitzkehre schneide ich die Kurve ab, doch das Steilstück raubt mir
zuviel Kraft, und ich muss ein Stück gehen. Mich überholt ein Fahrradfahrer,
und ich fange wieder an zu laufen. Ich kann bei ihm mithalten und frage ihn,
wie lange er schon unterwegs ist, aber er antwortet mir nicht. Entweder hat
er mein Kauderwelsch nicht verstanden, oder es ist unter seiner Würde, mit
Läufern, die gleichauf mit ihm sind, zu reden.
Wir kommen an einen Punkt, wo man die Straße
unterhalb sehen kann, und ich sehe unser Versorgungsfahrzeug dort unten
stehen und auf Stephan warten. Ich schreie runter, dass ich Hunger hätte,
aber sie verstehen mich wohl nicht. Der jüngste Sohn von Stephan klettert den
Bergpfad hoch mit einer ungeheuren Energie. Der Junge ist ein richtiges
Bewegungstalent. Für mich hat der letzte KM angefangen, und ich muss mich
sputen unter 2 1/2 Std zu bleiben. Vor mir sehe ich den Gipfel mit der
Aussichtsplattform, und ich gebe noch mal alles. Eine Wandergruppe feuert
mich an, und glücklich erreiche ich die Bergstation. Die Uhr bleibt bei 2 Std
28 Min stehen, und ich hätte nie geglaubt, dass ich mal auf eine Zeit von 2
1/2 Std auf 21 KM so stolz sein würde.
Von meinem Verpflegungswagen ist nichts zu sehen,
und ich frage die Wanderer, ob sie mir einen Schluck Wasser geben können. Sie
schenken mir auch gleich noch einen Müsliriegel, sie sehen mir wohl meinen
Hunger an. Mir ist kalt, und hier oben bläst ein steifer Wind. Ich muss noch
10 Min warten, bis Gaby und Sylvia mit dem Auto kommen. Sie sagen, ich wäre
einfach immer zu schnell gewesen, und hoch und runter hätten Sie zeitlich
nicht geschafft wegen des Nebels. Nach weiteren 10 Min kommt Stephan, und wir
machen die letzten hundert Meter zusammen. Wir sind beide überglücklich und
freuen uns, dass wir diese Aktion gemeinsam durchgezogen haben. Auf die Wette
kam es gar nicht an, sondern es war einfach eine Aktion unter Freunden, die
seit Jahren immer in unseren Köpfen geisterte.
Stefan Vorberg
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Stefan Vorberg, TGH Wetter
Stefan beim Duisburg-Marathon 2007
Stefan beim Herdecker Citylauf 2007
Links zum Mont Ventoux
Wiki
Quäldich.de
Montivagus.de |