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von Michael Noga
Die Jungfrau ist das Highlight für Marathonläufer
Das Marathon-Highlight für dieses Jahr sollte der Jungfrau-Marathon werden,
der laut Eigenwerbung des Veranstalters „Die schönste Marathonstrecke der
Welt“ ist. Angenehme 18 Grad beim Start in Interlaken und über 20 Grad im
Ziel auf der 2100m hoch gelegenen Kleinen Scheidegg. Dazu ein wolkenloser
blauer Himmel, Sonnenschein und kaum Wind sorgten für ideale Laufbedingungen.
Nach dem Startschuss laufen wir zunächst eine gut 3 Kilometer lange
Aufwärmrunde durch das Zentrum Interlakens. Danach geht es aus der Stadt
hinaus nach Bönigen, am Ufer des grün-blauen Brienzersee. Auch in Bönigen
werden wir, wie an allen Orten an der Strecke, von unzähligen Menschen und
Live-Musik empfangen. Die ersten 10 km bis Wilderswil sind flach wie bei
einem City-Marathon, ideal zum Einlaufen.
Hinter Wilderswil der erste ruppige Anstieg und wir bekommen einen kleinen
Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Wir erreichen das malerische
Dorf Gsteigwiler. Auch hier wieder das gleiche Bild: begeisterte Zuschauer
säumen die Strecke, Glockenschwinger mit riesigen Kuhglocken und kostümierte
Musikgruppen sorgen für gute Stimmung. Man hat fast den Eindruck, das ganze
Dorf ist auf den
Beinen.
Nun geht es auf einem idyllischen Waldweg leicht wellig entlang der
gletschereisblauen "Weißen Lütschine" Richtung Lauterbrunnen. Aus den
vorbeifahrenden Zügen der parallel verlaufenden Berner-Oberlandbahn werden
wir immer wieder von begeisterten Fahrgästen und Zuschauern mit Tröten und
Rasseln angefeuert. Bei Kilometer 19 erwartet uns mit 150 Höhenmetern der
heftigste Anstieg des ersten Streckenabschnitts, hinauf in das 810m hoch
gelegene Lauterbrunnen. Aber im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, ist
das nichts. Lauterbrunnen macht seinem Ruf als Marathon-Dorf wieder alle
Ehre. Menschenmassen drängen sich auf beiden Straßenseiten und empfangen uns
mit frenetischem Beifall. Es herrscht geradezu Volksfeststimmung. Es ist
unglaublich, mit welcher Begeisterung man hier begrüßt und durch das Dorf
begleitet wird. Bunte Fahnen schmücken die alten Häuser aus
dunklem Holz, Guggemusik und Glockengeläut begleiten die Läufer durch den
Ort. Man merkt, dass die Menschen und die Region hinter dem Jungfrau-Marathon
stehen und der Lauf einen besonderen Stellenwert hat. Nach dem Passieren der
Halbmarathonmarke am Ortsausgang wird es wieder ruhiger und die Läufer sind
wieder unter sich.
Auf einer 4km langen, vollkommen flachen Runde geht es nun ins Lauterbrunner
Tal. Vorbei an steilen Felswänden und unzähligen Wasserfällen immer mit
Blick auf schneebedeckte Alpengipfel. Bis hierhin ist von einem der härtesten
Bergläufe nicht viel zu spüren. Aber ein Blick hinauf nach Wengen zeigt, wo
es nun hingeht und vor allem wie hoch und steil der Aufstieg sein wird. Ab
der Verpflegungsstation bei Km
25,5 ist dann „Schluss mit lustig“. Der Charakter des Laufs ändert sich nun
schlagartig. Aus einem relativ flachen Landschaftslauf wird ein
knallharter Berglauf. Ab hier sind auf den nächsten 17 Kilometer 1.600
Höhenmetern zu überwinden. Aber zunächst geht es erst mal hinein in die
berüchtigte „Wand von Wengen“. In 26 serpentinenartigen
Kehren sind auf den nächsten 2 Kilometern über 400 Höhenmeter zu
überwinden. Einige versuchen es im Laufschritt, sehen aber dann doch schnell
ein, dass das reine Kraftverschwendung ist. Die Wand ist brutal steil, mehr
als zügig hoch marschieren ist einfach nicht drin. Es ist auch schwierig,
nach gut 26 „flachen“ Kilometern den geeigneten Rhythmus zu finden. Jeder
entwickelt hier seine eigene Technik. Mal mit, mal ohne Abstützen der Arme
auf den Oberschenkeln. Obwohl der Weg im Schatten verläuft, fließt der
Schweiß in Strömen und es ist die erste Belastungsprobe für die Waden.
Problemlos werden hier zweistellige Minutenzeiten je Kilometer gelaufen oder
gegangen. Ab hier werden auch die Kilometermarkierungen in 250m Schritten
angezeigt. An fast jeder Kehre stehen Kinder mit Kuhglocken und feuern die
Läufer an.
Bei km 29 verlassen wir den schattenspendenden Wald und der Weg wird wieder
etwas flacher. Nach dem zügigen Hochmarschieren tut sich der Körper zunächst
schwer, wieder in den Laufrhythmus zu finden. Vorbei an saftig grünen
Almwiesen und Bergbauernhöfen geht es in den 1285m hoch gelegenen
Wintersportort Wengen. Der Empfang ist einmalig, hier ist der Bär los.
Geschmückte Häuser, Musikkapellen und jubelnde Zuschauermassen. Durch die
engen Zuschauergassen
und den reichlichen Applaus werden wir förmlich den Berg hoch getragen.
Nach Wengen wird es wieder ruhiger, und die Natur hat uns wieder. Bei km 34
kreuzen wir beim „Hanneggschuß“ die Piste der berühmten Lauberhorn-Abfahrt
von Wengen, einem “Klassiker“ im alpinen Skirennsport. Der nächste Abschnitt
ist für mich der schönste. Zuerst tauchen die weißen Zacken der Jungfrau
(4158m) auf. Dann der
Mönch (4.105m), und zum Schluss der Eiger (3.970m) mit der berühmt
berüchtigten Nordwand. Das „Dreigestirn“ ist nun komplett. Ein einmaliges
Panorama, da wird es einem ganz warm ums Herz. Das eindrucksvolle Panorama
ist die verdiente Entschädigung für jeden weiteren Höhenmeter. Weiter
ansteigend durch die letzten schattenspendenden Wälder erreichen wir bei km
38 die Kontrollstation Wixi-Alm auf 1.835 Meter. Bis hierhin konnte man noch
einigermaßen laufen, nach der Wixi-Alm ist das definitiv nicht mehr möglich.
Auf den nächsten 2 Kilometern sind nochmals ca. 375 Höhenmeter zu überwinden
und die Muskulatur erfährt den nächsten Härtetest.
Über einen schmalen, wurzeldurchsetzten Bergpfad geht es nun steil bergauf.
Wir passieren die Baumgrenze, und der Blick wird frei auf berüchtigte Moräne
des Eigergletschers. Vorbei an einer Gruppe Alphornbläser und Fahnenschwenker
auf einer saftig grünen Alpwiese- Postkartenidyll. Das sind Erlebnisse, die
sich einbrennen, und auch die Muskeln brennen. Und dann, bei km 40, der
Höhepunkt der Strecke:
Die berüchtigte Moräne des Eigergletschers, ein steiniger, schmaler Pfad. Ein
letzter Härtetest für die Waden und Oberschenkel. Wie an einer Perlenkette
gezogen, quält sich die Läuferschar die Moräne hoch. Die Moräne ist auch der
schwierigste und anstrengendste Abschnitt des gesamten Laufes. Nun gilt es
nochmal, die letzten Kräfte zu mobilisieren. Vorbei am Dudelsackspieler, der
mit seinem Instrument das nahende Ende Steigung ankündigt. Bei km 41 ist am
Ende der Moräne mit 2205m
der höchste Punkt der Strecke erreicht. Hier wird als letzte Wegzehrung
mundgerecht gebrochene Schokolade gereicht. Weiter unten sieht man schon den
Zielbereich an der Kleinen Scheidegg in der Sonne liegen. Ab hier geht es nur
noch bergab und jeder verfällt wieder in den Laufschritt. Noch ein kurzer
Gegenanstieg, über eine kleine Felskante und dann am Speichersee vorbei
hinunter ins Ziel. Zahlreiche Zuschauer
stehen bereits entlang des Wegs im mit Fahnen geschmückten Zielraum
und bereiten den Läuferinnen und Läufern einen würdigen Empfang. Alle
Anstrengungen, alle Schmerzen sind vergessen, nur Glück und Zufriedenheit, es
wieder geschafft zu haben. Eine solche Kulisse erlebt man wirklich nicht alle
Tage. Noch lange nach dem Zieleinlauf liegen wir bei Traumwetter in der Sonne
und genießen den Ausblick. Über uns thront die Jungfrau, zusammen mit dem
Matterhorn und dem
Mont Blanc der berühmteste Gipfel Europas. Dieses Panorama ist einfach
sensationell und belohnt für alle Anstrengungen - auch wenn die letzten
Kilometer richtig heftig waren.
Wir kommen sicher noch mal wieder!
Michael Noga, Triathlon-Team TG Witten
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Lauterbrunnen
Wittener Erfolgstrio:
Dirk Gostomski,
Michael Noga,
Mark Kroege
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