FAZ Juni 2003: Frank Busemanns letzter Sieg

 

 
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© von Jörg Hahn, 
Frankfurter Allgemeine Zeitung 24.06.2003

FRANKFURT. Ein Mann der Extreme - mit einem Paukenschlag betrat er 1996 die Szene, mit wenigen Worten hat er sich verabschiedet. Gerade vier Zeilen lang ist die Mitteilung, mit der Frank Busemann am Montag über das Ende der Laufbahn als Zehnkämpfer unterrichtet hat. "Aufgrund der anhaltenden gesundheitlichen Probleme und der siegenden Vernunft bin ich zu dem Entschluß gekommen, meine Leistungssportkarriere ab sofort zu beenden. Es ist für mich der richtige Zeitpunkt für einen Rücktritt, und das Schönste ist, ich fühle mich super mit dieser Entscheidung.

Bild entnommen bei www.duesseldorf-2012.orgIn Atlanta vor sieben Jahren wäre Busemann, damals 21, beinahe Olympiasieger geworden. Die mitreißende Leistung und 8706 Punkte weckten vor allem bei ihm selber die Hoffnung, irgendwann als erster Zehnkämpfer der Welt die Marke von 9000 Punkten erreichen zu können. Doch schon bei den Weltmeisterschaften 1997 in Athen trat er nicht ganz gesund an, er hielt wider alle Vernunft durch, rettete sich auf den dritten Platz (8652 Punkte). Danach begann mit einer unfaßbaren Verletzungsserie der unaufhaltsame Abstieg. 1998 mußte er aussetzen, 1999 endete der WM-Auftritt nach einer Disziplin. Als der Tscheche Roman Sebrie vor zwei Jahrren die 9000er-Barriere durchbrach, fühlte sich Busemann zwar um eine Last befreit. Einen persönlichen Wendepunkt markierte diese Sternstunde des Sports aber doch nicht, denn der Körper hielt schon lange den speziellen Anforderungen der zehn Disziplinen nicht mehr stand. Hochbegabt - besonders im Hürdensprint, aber auch im Weitsprung gelangen ihm Spitzenresultate -, zugleich aber hochanfällig, brachte er es gerade mal auf ein Dutzend vollendeter Zehnkämpfe. Die letzten beiden Großereignisse, die WM 2001 in Kanada und die Europameisterschaften vergangenen Sommer in München, erlebte Busemann schon nur noch als Zuschauer. 

"Natürlich mache ich den Sport, weil ich besser werden will. Ich mache das ja nicht, weil ich gegen den Verfall ankämpfen möchte", sagte Busemann unlängst dem "Leichtathletik-Magazin". Genau dieser Eindruck hatte sich jedoch in den Leidensjahren aufgedrängt. "Er war immer ein Kämpfer, und er hat in allen Höhen und Tiefen sein Gesicht gewahrt und Charakter gezeigt", stellt Bundestrainer Claus Marek anerkennend fest. "Er kam mit einem Donnerhall und war auch später stets ein belebendes Element der Szene, obwohl er durch die Verletzungen viele negative Schlagzeilen lieferte. Aber das gehört eben auch zu unserem Sport."

Große Emotionen begleiteten Busemann jederzeit. Marek kennt aus eigener Erfahrung den langen, schmerzhaften Prozeß, zu begreifen, daß die Karriere vorüber ist. "Ich habe drei Jahre gebraucht, bis ich dann ganz spontan die Spikes weggeschmissen habe." So ist es jetzt auch Busemann ergangen. "Ich bedauere es sehr, daß er aufhört, aber ich freue mich für ihn, daß er jetzt diesen Schritt vollzogen hat", sagt Marek. Wie der Trainer, so äußern sich alle Wegbegleiter Busemanns. Respekt, auch für diesen Abgang. 

Schluß mit der Quälerei, mit der Busemann viel aufs Spiel gesetzt hat, nicht allein die Gesundheit. Das Wirtschaftsstudium - verschleppt. Die Beziehung zum Vater, der lange auch sein Trainer war - gegen Ende der sportlichen Zusammenarbeit, wie das gesamte Privatleben, belastet. "Einer der größten Siege meiner Karriere", so hat Busemann am Montag seinen Entschluß bezeichnet. Chronische Fußbeschwerden hätten Starts in dieser Saison verhindert; und nach einer unumgänglichen Operation wären abermals viele Monate der mühsamen Rehabilitation gefolgt. Lange Jahre hat Busemann diese Prozedur eisern kämpfend auf sich genommen, weil er, wie er zugibt, Angst gehabt habe aufzuhören. Also versuchte er immer wieder "mit der Brechstange", Anschluß zu finden. Zuletzt gelang es dem ehrgeizigen Athleten aus dem Ruhrgebiet jedoch, Sport wieder als etwas aufzufassen, was "unheimlich schön" sein kann. Dieser Sinneswandel war es, der eine reali stische Selbstbeurteilung und damit seinen Rücktritt möglich machte. Ende Mai sei ihm klargeworden, was zu tun ist. "Je der Tag hat sich gelohnt, ich bereue nichts", sagt Busemann. Wenn er zurück blicke, denke er nicht an seine Verletzun gen, sondern an die schönen Stunden in der Leichtathletik: "Es war eine wunderbare Zeit.

Das Studium soll nun im Vordergrund stehen, vielleicht wird er auch bald eine Fa milie gründen. Nur den Spitzensport hat er abgehakt: "Ich sehe jetzt viele Dinge gelassener als früher. Wie der Opa, der alles erlebt hat, der mit dem Leben abgeschlossen hat." Der "Zehnkampf-Opa" ist 28 Jahre alt und hat privat wie beruflich noch viel vor sich. Als Bankkaufmann und leidenschaftlicher Börsen-Beobachter kennt er die neue Strategie nur zu gut: Er investiert künftig nicht mehr im Stadion, sondern setzt auf andere "Aktien". Wer seine Energie und Beharrlichkeit kennt, kann nicht daran zweifeln, daß für Busemann in anderen Lebensbereichen wieder reichlich Gewinn abfallen wird.

24.06. 2003   © von Jörg Hahn

 



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