Der
tägliche Bericht vom Transalpine Run 2013.
gelaufen: 8 Tage / 261,3 km / 15.830 Höhenmeter
07.09. Sulden - Latsch / 39,8km / 1897m auf / 3106m ab
Du kannst mehr, als du denkst. Das gilt es heute noch einmal zu
beweisen. Besonders von den Beinen. Das abendliche Pflegeritual mit
Franzbranntwein,
Arnika-Salbe und Ibuprofen-Creme zeigt keine Wirkung mehr. Doch nach
dem Start lassen die Schmerzen etwas nach. Es kommt mir entgegen, dass
wir uns mit 1300 Höhenmetern warm gehen können, bis der höchste Punkt
der gesamten Tour erreicht ist, das Madritsch-Joch auf 3118m. Dann
aber sind 3000 Meter bergab zu laufen, kaum noch zu leisten von meinen
Oberschenkeln. Was eigentlich nicht geht, geht aber dann doch
irgendwie. Die Erschöpfung bringt mich einmal zu Fall, zum Glück ohne
Folgen. Herwig wartet einige Male auf mich. Wir sind ein Team, das
sich bewährt. Das zeigt sich auch im Ergebnis. Wieder erreichen wir
heute Platz 17 in der Alterklasse und festigen unseren Platz 19 in der
Gesamtwertung. Von 348 gestarteten Teams kommen 265 ins Ziel, wir als
171.
Wichtiger als das sportliche Resultat ist die Erfahrung der Woche.
Sich und seinen Körper gespürt zu haben wie noch nie, den Bergen und
der Natur täglich nah zu sein, im Team aufeinander einzugehen und
schließlich mehr zu können, als ich dachte. Nicht nur mit den Beinen.
Helden der Berge: Gezeichnet von 8 Tagen
Abwärts tut's richtig weh: Weiter Weg ins Martell-Tal.
Wir laufen wie ferngesteuert: Nicht mehr aufzuhalten.
Anstieg zum Madritsch-Joch: Die Wege sind breit.
Der Himmel lacht über uns: Das schaffen wir heute auch noch!
06.09. St. Valentin - Sulden / 42,6km / 2381m auf / 1934m ab
Der Tag ist über lange Zeit so schwer wie erwartet. Nach dem Start
16km bergab auf Asphalt zu laufen, daran sind die Beine nicht mehr
gewöhnt. Ich muss Herwig mehrfach zu Gehpausen auffordern, weil meine
Oberschenkel meutern. Ab Glurns geht es endlich bergauf, und ich darf
gehen, weil es alle tun. Es folgt ein endloser Anstieg zur
Tabarettascharte auf 2880m. Ich habe das Gefühl zu kriechen, Herwig
ist schon vorneweg. Den meisten anderen geht es aber ähnlich. Was wir
dann folgen lassen, ist ein halsbrecherischer Tempolauf über 1000m
Abstieg nach Sulden. Dank dieses Endspurts und
7:15 Std schaffen wir unsere beste Tagesplatzierung mit 17 bei den
Senioren und 149 im Gesamtfeld. In der Gesamtwertung sind wir mit
Platz 19 bzw. 173 so weit vorn wie nie.
Morgen kommt die finale Prüfung für die Oberschenkel. 3000m Abstieg!
Jetzt wird getapet, bis von den Beinen nichts mehr zu sehen ist. Und
dann heißt es: Aufgeben ist das allerletzte!
In der Morgendämmerung: Tapen, Tapen, Tapen
Immer weiter rauf: Ortsdurchlauf in Stelvio
Nimmt das denn kein Ende? Herwig blickt nach oben.
Bergschleicher: Mühsame Annäherung an den höchsten Punkt
05.09. Scuol - St. Valentin / 37,8km / 1633m auf / 1369m ab
Nach dem Ruhetag kommt morgens der Kreislauf nicht so recht in
Gang. Die ersten 6km gehen leicht bergab. Alle laufen. Ich komme
schnell in Atemnot und bin froh, als es endlich im Gehschritt bergauf
geht. Die Uina Schlucht ist faszinierend und lässt uns die Anstrengung
vergessen. Einmal warmgelaufen, kommen wir immer besser in Fahrt. Über
den Almen ist die Lauffreiheit grenzenlos. Zwischen sehr entspannten
Kühen traben wir dahin, die Sennerin spricht englisch, ihr Border
Collie ist "the best dog of the world". Wir überwinden auch noch den
Schafsberg und lassen es im gemäßigten Sprint hinunterrollen nach St.
Valentin. 5:25 Std dauert unser bisher kürzester Tag. Das war offenbar
nicht schlecht, denn wir halten unseren 20. Platz bei den
Hundertjährigen und verbessern uns im Gesamtfeld von 202 auf 184.
Und übrigens: Die Wade hat verstanden. Morgen wird aber auch noch der
Oberschenkel getapet.
Mit Platz 20 bei den Sen. Master Men sind wir die letzten im 2. von 3
Startblöcken
In der Uina Schlucht ist Überholen verboten. Wär auch knapp.
Ist noch nicht die Hälfte heute, aber macht schon Mut.
In Italien! Das letzte der 4 Länder auf der Tour ist erreicht.
Idylle auf 2200 Meter. Herwig setzt zum finalen Abstiegssprint an.
04.09. Scuol / Bergsprint / 6,3km / 947m auf
Die heutigen fast 1000 Höhenmeter werden vom Veranstalter als
"willkommener Ruhetag" angepriesen. So Unrecht hat er nicht. Aber
zunächst dürfen wir uns als Meisterschaftsteilnehmer bei einem
Verfolgungsrennen fühlen. Alle 20 Sekunden wird ein Team einzeln auf
die Strecke geschickt, die langsamsten zuerst. Wir sind als erste nach
einer fünfminütigen Pause dran. Also keine Chance zum Überholen, im
Gegenteil - wir werden gleich von hinten überrollt. 1:08 Std
pausenloses Schwitzen unter vollem Einsatz von Oberschenkeln und
Stöcken, schon sind wir im Ziel und halten damit unseren Platz 20.
Wir kommen nun in die 3. Phase der Tour. Die ersten 2 Tage waren von
Anspannung und Unsicherheit geprägt, Tag 3 bis 5 von Freude und
Begeisterung. Jetzt heißt es, die Schmerzen zu überwinden und immer
weiterzumachen. Keine Gnade für die Wade! Jedenfalls nicht vor
Samstag.
Pasta-Party auf der Bergstation: Achtung Sonnenbrandgefahr
03.09. Samnaun - Scuol / 37,1 km / 2015m auf / 2698m ab
Ich fühle mich gesund, dennoch ist jeden Morgen mein Bett nass
geschwitzt, und das liegt nicht an Alpträumen. Offenbar verarbeitet
der Körper die täglichen Belastungen mit Reaktionen, die sonst
fiebrige Infekte bekämpfen. Unser Fieber heißt Transalpine Run.
Heute gab es auch keinen Grund für Alpträume! Keine Wolke am Himmel
und technisch unschwierige Wanderwege durch eine wunderbare
Berglandschaft. Dass es fast wieder eine Marathon-Distanz ist,
ignorieren wir nach Kräften. Wird schon gehen, ging doch gestern auch!
Und es läuft. Nach 6:31 Std haben wir uns wieder auf Platz 20
vorgeschoben, ohne dabei die Aussicht zu vernachlässigen.
Das Medical Team kann sich über Arbeitsmangel nicht beklagen.
Vor dem Start wird verbunden und getapet.
39 Mal London-Marathon am Fuorcla-Pass (2730m)
Ulf 18, Uli 14, und Herwig hat auch 7.
Der Wanderweg von Fuorcla nach Scuol ist mit 4 Stunden angegeben.
Das Sterntaler-Team braucht 1:20 Std.
02.09. St. Anton - Samnaun / 38,4km / 2975m auf / 2431m ab
Auch der Veranstalter bezeichnet den heutigen Abschnitt als die
Königsetappe der Woche. Zum Glück erweisen sich seine Warnungen als
Übertreibung ("Wer nicht absolut trittsicher ist, sollte heute nicht
starten!"). Das Schneefeld ist bestens präpariert und der leicht
gezuckerte Anstieg zur Dreiseenscharte lässt sich problemlos
bewältigen. Jedenfalls hat das ganze bei uns zu großem Respekt
geführt, so dass wir es besonders ruhig angehen lassen.
Das zahlt sich aus: Es wird unser bisher schönster Tag. Wir geniessen
den Anstieg durchs Moostal, ignorieren die Hässlichkeiten des
Skigebiets von Ischgl und können am Ende ein starkes Finish hinlegen.
In der Ergebnisliste fallen wir nach 8:51 Std von 19 auf 23 zurück,
doch gehören wir eben nicht zu den 7 von 41 Hundertjahre-Teams, die
schon ausgefallen sind.
Frostiger Anstieg zur Doppelseescharte
Nur nicht über Entfernungen nachdenken...
In der Kuhe steckt die Ruhe
01.09. Lech - St. Anton / 24,7km / 1899m auf / 2040m ab
Auf dem Papier liest sich die 2. Etappe wie eine gemäßigte
Aufgabe. Doch der Eindruck täuscht. Steile Auf- und Abstiege lassen
nur wenig Laufen zu, dazu kommt heute das Regenwetter. Nur behutsam
und mit stängigen Staus können wir manche Stellen im glitschigen
Lehmboden überwinden. Die
Ergebnisliste zeigt die ersten Teamausfälle.
Wenige Wanderer sind heute unterwegs. Doch genau wie gestern spenden
sie alle freundlichen Applaus, statt sich womöglich über die
Menschenmassen auf ihrem Weg zu ärgern. Danke dafür!
Dem anstrengenden Anstieg zum Valvagerjoch (2543m) folgen 7km mit
1300m Abstieg zum Ziel in St. Anton. Die legen wir laufend in 50min
zurück. Meine Oberschenkel nehmen das übel und scheinen nicht willens
zu sein, morgen fast einen Marathon mit 3000 Höhenmetern
zurückzulegen. Nach 5:45 Std haben wir die Position im Mittelfeld
gehalten, aber morgen kann alles ganz anders sein.
Heute ein seltenes Bild: Sonne auf dem Rüflikopf (2350m)
Gut drauf: Herwig am Matunjoch
Ab hier nur noch bergab im Regen: Matunjoch (2513m)
31.08. Oberstdorf - Lech / 34,6km / 2083m auf / 1469m ab
An der Organisation liegt es nicht, wenn wir nicht ankommen.
Strecken-markierung, Verpflegungsstationen, Taschentransport - alles
perfekt.
Vom Ergebnis her ist auch unser Start perfekt. Das Zeitlimit um
mehr als 2 Stunden geschlagen, sind wir nach 6:14 Std im Mittelfeld
der uralten Senioren.
Herwig scheint das alles ganz gut wegzustecken. Ich konnte 4
Stunden mithalten, war aber dann doch ziemlich erschöpft und habe mich
ins Ziel gerettet. Ob die Erholung bis morgen früh reicht, um die
technisch anspruchsvollste Etappe bei Schlechtwetter zu meistern?
Ausgerechnet morgen zieht eine kleine Kaltfront durch und bringt uns
oben auf 2500m Temperaturen von nur 2°c. Es wird eine Etappe mit hohem
Wanderanteil.
Anstieg von Oberstdorf zur Fidere-Scharte
Schrofenpass
An der Verpflegungsstation in Warth
30.08.13 Oberstdorf
Die Startunterlagen sind abgeholt, die Tasche gepackt. Das
Kribbeln im Bauch hat gestern schon angefangen und lässt nicht nach.
Es wird auch dadurch nicht besser, dass alle anderen Läufer viel
fitter aussehen als ich und die meisten 20 bis 30 Jahre jünger sind.
Ich soll auf Routine hoffen? Mein letzter alpiner Berglauf ist 5 Jahre
her! Herwig beteuert weiterhin, die Zeit sei ihm egal. Morgen abend
wissen wir mehr. Ich bin gespannt, wo es zuerst weh tut.
23.08.13
Nach dem Berglauftraining
im Ardey-Gebirge
(höchste Erhebung in Witten:
Arenberg 269m) |